Liebe Freund:innen, geschätzte Unterstützer:innen,
wenn Reinhold Lopatka – Spitzenkandidat ÖVP für die kommende EU-Wahl anhand dieser leidigen ÖVP Debatte “Leitkultur” auf Twitter fragt:
“Ostern ist für uns Christen das größte Fest im Jahr, damit verbinde ich Tradition und große Familien-Zusammenkünfte. Welche Bräuche habt ihr so zu Ostern?”, dann musste ich ihm auf Twitter antworten:
“Im 4. Jahr auf Lesbos – wir baden hier aus, was vermeintlich christliche Politiker:innen der ÖVP/EVP hier an den Außengrenzen Europas verbrechen”.
Hier im Flüchtlingscamp auf Lesbos sind übrigens mehr als die Hälfte Frauen und Kinder, vorwiegend aus Afghanistan.”
Ich finde an so hohen Feiertagen und wenn dann auch seitens der Politik das Christentum und Glaube, instrumentalisiert werden, dann darf man sich schon mal seine Gedanken machen und (wieder einmal) darüber nachdenken sich dazu zu äußern, was uns politisch, mit Einfluß auf unser aller Zusammenleben, so geboten wird.
Die Fasten- und Osterzeit ist ja jene, die für praktizierende Christ:innen die Frage nach “Leben und Tod” sehr ernsthaft beleuchtet.
Viel zu wenig integriert und trotzdem untrennbar vom Leben ist bei uns allen der Tod. Eigentlich eigenartig, wo er doch ständig präsent ist, auch ich persönlich wurde privat erst kürzlich wieder damit konfrontiert.
An den Außengrenzen Europas ist der Tod so “lebendig”, wie selten an einem anderen Ort in Europa.
Menschen sterben erschreckend zahlreich auf der Flucht über das Meer, bei ihren verzweifelten Überfahrten in Richtung Sicherheit und Frieden.
Menschen sterben in den Camps, an Krankheiten, Erschöpfung, oder nehmen sich das Leben, wie die vielen, meist namenlosen Friedhöfe für Geflüchtete zeigen.
Mittlerweile gibt es an manchen Orten die Bemühungen, jene Plätze zu pflegen.
Es hat gedauert, bis einige wenige gewillt waren, den Menschen auf der Flucht wenigstens ihre letzte Würde zu schenken.
Während praktizierende Christ:innen, offenbar so auch die ÖVP Parteimitglieder, mag man ihren Accounts auf den Sozialen Medien Glauben schenken, am Gründonnerstag Spinat essen, am Karfreitag in die Kirche gehen, das Kreuz anbeten, an dem Jesus, wie es heißt, für die Menschen sein Leben gelassen hat, um dann in der Osternacht die Auferstehung das Leben zu feiern und Bräuchen zu frönen, spielen sich hier an den Außengrenzen tagtäglich, offensichtlich ignoriert, oder unbemerkt von politisch Verantwortlichen tägliche Dramen ab.
Keiner von ihnen ist bereit diese zu sehen, oder man ist trainiert darauf, sie zu ignorieren. Einige von ihnen ordnen diese unfassbaren Grausamkeiten auch an.
Während man Brauchtum pflegt und sich immer wieder auf “Jesus Geschichte” beruft, sterben hier Menschen, physisch und psychisch. Die Geflüchteten werden am offenen Meer zahllosen Pushbacks ausgesetzt, man lässt schreiende Frauen, Kinder, zutiefst verzweifelte Männer am offenen Meer zurück, nachdem man ihnen den Motor des desolaten Bootes genommen hat.
Erreichen sie doch irgendwie die Insel, lässt man sie darben, alleine mit ihren Schicksalen, hungert sie aus in den griechischen Camps, weil man ihnen nahebringen will, sie mögen doch bitte so gut sein und alleine weiterkommen. Und während wir Millionen von Euros für Süßigkeiten, Osterbraten, Alkohol, Reisen uvm. ausgeben, wird uns vermittelt, wir haben weder genügend Geld um zu helfen, bzw. wir müssen auf die eigenen Leute schauen. Wahrscheinlich auf jene, die Brauchtum pflegen und rassistische, unwillige und unfähige Parteien wählen.
Geld wäre genug da, man ist nicht gewillt es zu investieren, weder in geordnete Aufnahme, noch in sinnvolle Integration – zum Leid und Schaden von uns allen.
Auch hier in Griechenland wird neben all diesen Schauerlichkeiten kaum ein Euro für nachhaltige Einbindung in die Gesellschaft ausgegeben.
“Die Menschen wollen doch eh alle weg von hier, weiter nach Deutschland, Schweden, Österreich” hört man.
Während sich unser Bundeskanzler bestens mit der griechischen Regierung versteht und gemeinsam mit Faschist:innen wie Meloni Deals in fernen Ländern aushandelt, die dazu beitragen sollen, dass man das “Kreuz des Todes und die vielen Gräber” nicht mehr ansehen muss, Europa zur mittelalterlichen Burg mutiert, während uns die Arbeitskräfte ausgehen, den österlichen Gedanken mit Füßen treten und Brauchtum pflegen.
Wo bleibt da jetzt das Leben?
Und trotzdem gibt es sie, die Botschaft, die frohe, die Eigentliche.
Viele Menschen, die man dann als unerwünscht links bezeichnet, obwohl sie nichts anderes verfolgen als Menschenrecht und -würde aufrecht erhalten zu wollen, sind in ganz Europa tätig, um diesem Unrecht, diesem eigentlichen Bruch mit jeglicher christlicher Philosophie, entgegenzuwirken.
Das Interessante dabei, viele fühlen sich weder der ÖVP noch der Kirche zugehörig. Sie wollen einfach Mensch sein, leben und das Leben in Liebe zu sich und den Mitmenschen wertschätzen.
Seit beinahe 4 Jahren sind wir hier auf Lesbos, wir versuchen hier Menschen durch unsere Unterstützung lebendig zu halten, so wie uns selbst auch.
Was uns dabei wesentlich hilft, ist all das, was das Leben, das Herr Lopatka und seine Kolleg:innen mit Brauchtum feiern, in seiner Würde und Schönheit im Auge zu behalten.
Wenn am Morgen die Sonne über Lesbos aufgeht wie heute, die Insel sich von ihrer schönste Seite zeigt, der Frühling uns mit Licht und dem über der Stadt schwebenden Duft von blühenden Zitronen- und Orangenbäumen empfängt und wir wissen, wir können wie jeden Samstag 200 besonders vulnerable Personen, hauptsächlich Familien, die aus unterschiedlichen Gründen nicht im Camp leben können, versorgen, dann ist das Osterfreude. Und es ist ein samstäglicher Brauch, den wir seit mehr als 3 Jahren pflegen. Nicht wegen Ostern, sondern weil wir Mensch sind, Menschen mit Gefühlen, mit Liebe, Würde und mit Rechtsbewusstsein. Und weil wir wissen, dass wir trotz der großen Herausforderung von Asyl- und Migration niemals das ganze Jahr über nicht Menschen in diesem Elend lassen dürfen.
Dass ihr uns so zahlreich unterstützt, erkannt habt, dass viele kleine Beträge etwas Großes zustande bringen, dass wir unsere Würde nur erhalten können, wenn wir sie auch anderen zukommen lassen, dass wir dadurch Lebensmittelpakete verteilen können, Rechtsberatung finanzieren dürfen, Kindern Spielzeug, Wohnungen mieten, uvm., uns annehmen können um junge, alte und Familien auf der Flucht, sowohl hier, als auch in Österreich – das ist ein Grund zu feiern und das ist, wenn man so will Auferstehung – Ostern.
Dass daraus dann “Leben” entspringt, Menschen wieder an sich und uns glauben lernen, ihre Begabungen finden, sich aufmachen um ernsthaft an einem neuen, selbständigen Leben zu arbeiten, dabei auch medizinische und therapeutische Unterstützung erhalten und annehmen, das ist Leben, das ist Aufbruch und darum sind wir als Team, als tätige Menschen im Bereich Flucht und Migration heute, sowie an vielen anderen Tagen, dankbar und glücklich.
Wir sehen hier Tod in vielen Formen, doch durch Eure Unterstützung, durch Eure Liebe, denn was anderes ist es nicht, wenn wir teilen, etwas abgeben, dann sind wir auch täglich mit Leben konfrontiert, können diese Freude einatmen und sind getragen von ihr.
Dafür danken wir Euch, auch im Namen der Betroffenen von ganzem Herzen und wünschen Euch in diesem Sinne ein frohes Osterfest, wo immer ihr auch seid und was immer ihr gerade tut.
Herzlichst,
Doro & Team
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