Afghanistan ist ein Hochrisikogebiet. Anschläge, Brutalität, Korruption, mafiöse Machenschaften, Hunger, Armut, Frauen ohne Rechte und jetzt die dramatischen Auswirkungen von COVID-19 an der Tagesordnung.
Ein Großteil der jungen Menschen wäre lieber zuhause, in ihrem Land, bei ihren Familien, in ihren Häusern, mit ihren Freund*innen. Doch sie wissen, sie können das nicht, weil sie aus all den obigen Gründen keine Zukunft in ihrer Heimat haben. Die Lebensumstände sind kaum aushaltbar, zu grausam.
Die österreichische Bundesregierung will dies nicht anerkennen. Aus taktischen Gründen, aus Machtstrategien, um rechte Wähler*innen zu gewinnen und zu befriedigen werden Angst und Vorurteile geschürt.
Welch Ängste und Verzweiflung wir damit bei jungen, ehemals hoffnungsfrohen Geflüchteten hervorrufen, wie groß die Angst vor Abschiebung nach Afghanistan ist, zeigt nachfolgender Brief eines jungen Mannes an mich. Ich habe lange überlegt, ob ich ihn veröffentlichen soll, denn er ist sehr schmerzhaft.
Ich habe mich dazu entschieden, nicht um den Schmerz zu streuen, sondern um mit diesen Zeilen eine weitere Diskussion anzuregen und bewusst zu machen, was die Regierung Türkis/Grün verantwortet.
Ein junger Mann, voller tiefster, menschlicher Erleichterung über die gelungene Flucht, voller Schmerz des Zurückgelassenen, voller Hoffnung auf Frieden schreibt mir, nach beinahe 5 Jahren in Österreich diesen Brief.
Mein Tag endet mit seinem und meinem Schmerz.
Mit dem traurigen Bewusstsein, dass es kaum Politiker*innen gibt, die den Mut und die Wahrhaftigkeit aufbringen zu sagen „Wir schieben NICHT nach Afghanistan ab, weil es unverantwortlich ist. Weil es keine sicheren Städte in Afghanistan gibt, weil die Taliban in diesem Land jeden finden, den sie finden wollen, weil es keinen staatlichen Schutz gibt und weil das Leid zu groß ist.“
Es gibt Gespräche, ich/wir geben die Hoffnung nicht auf, dass sich Österreich besinnt auf das, worauf wir jahrelang stolz waren, auf humanitäre Werte und soziales Denken und Handeln.
Mit dem Jungen bin ich im Gespräch, werde ihn mit einem Therapeuten/Therapeutin vernetzen, denn Selbstverletzung, oder deren Androhung ist ein Moment in dem wir alle überfordert sind und professionelle Hilfe brauchen, in diesem Fall er und ich. Manchmal ist unsere Arbeit bitter. Ich hoffe dringend auf politische Änderung in unserem Land, ich für meinen Teil gebe meinen kleinen Beitrag konsequent dazu und ich hoffe, dass die Zivilgesellschaft sich mehr zum Handeln, als zur Empörungspolitik vereint.
Brief eines Jungen aus Afghanistan, in größter Not, an mich, Doro Blancke am späten Abend des 27.7.2020
Hallo liebe Doro
Ich wollte es mit Ihnen teilen,dass ich eine Demonstration gegen den Asylrechts in Österreich unternehmen will. ich habe jetzt die Nase voll, und kann nicht mehr sehen das so viel falsches erst mit mir und anderen Asylbewerbern,besonders die aus Afghanistan stammen passieren. In Afghanistan Iran und noch ein paar anderen Länder werden wir mit den Waffen und anderen Geräten getötet und Niemand weiß, woran wir hier leiden. Hier in Österreich werden wir Silent getötet und sind wir gar nicht als Mensch gezählt, insbesonders bei Afghanen haben die Regierung und manche Politiker so viele Propaganda geprägt,dass die Mehrheit über uns denkt das wir in (einfachen Worten) wie Tiere sind. Das sage ich,weil ich oftmals solche Situationen begegnet habe. Wir Zivilisten waren immer und überall die Opfer der verdammten Politik. Wie lange sollten wir noch Opfer dieser dreckigen Spiele sein?
Als Beispiel gebe ich hier mein selbst. Seit ich in Österreich gelebt habe, war ich immer mit dem Lernen beschäftigt und wollte meine Ausbildung fortsetzen, damit ich eine nützliche Person für mich selbst und die Gesellschaft sein kann, in der ich lebe. Die fünf Jahre bis jetzt habe ich ohne Kriminalität ohne schlechte Sachen verbracht und ich war niemals bei der Polizei. ich habe ein normales Leben in Freiheit Frieden und Intimität mit meinen Freunden, die aus verschiedenen Klassen und Rassen bestehen gelebt.Da mein größter Traum eine höhere Ausbildung war, nahm ich einen Deutschkurs aus meinem eigenen Budget, um meine Zeit nicht zu verschwenden, und in einem Jahr konnte ich den B2-Abschluss erfolgreich bestehen. dann schrieb ich mich an der Universität ein und ich habe zwei Semester Vorstudienlehrgang der Universität Wien besucht, um mich auf die Universität vorzubereiten. Als ich hintereinander negativ bekommen habe war ich sehr traurig,und das hat mich und mein Leben sehr schlecht gemacht und schwer beeinflusst, da ich mein Studium abgebrochen habe, Aber jetzt sehe ich, dass die kleinen Erfolge, die ich in diesen fünf Jahren erzielt habe, trotz aller Schmerzen harte Arbeit und Leiden, die ich in diesen Jahren hatte, verschwendet werden und in Gefahr sind. Hier bin ich nicht der einzige der daran so sehr leidet, es sind hunderte auf die das gleiche Schicksal wartet, und dafür bin ich bereit meinem Mund zu zunähen bis mir zugehört wird, bis ich meine Rechte bekomme, Rechte, die ein Mensch hat. Das alles ist mit mir in einem Land passiert, wo die Menschenrechte an erster Stelle stehen.
LG …..
#AfghanistanIsNOtSafe #Menschenrechte #SicherSein
Kommentare 1
Es gibt für eine Änderung dieser Politik offenbar (noch) keine gesellschaftliche Mehrheit. Gäbe es diese, könnte die ÖVP nicht solche Spitzenwerte bei Wahlen und Umfragen einfahren. Wir haben einen allgemeinen “gesellschaftlichen Konsens”, eben auch in der so genannten Zivilgesellschaft, der rechts von der Mitte ist. Das macht nicht aus allen Menschen, die sich politisch in diesem Spektrum ansiedeln, Nazis, Rassisten, Faschisten etc., aber es macht sie zu Steigbügelhaltern für eine Politik, die sich auf (geschürte) Ängste und dumpfe Ressentiments gründet, ohne an der Lösung tatsächlich bestehender Probleme, von denen es durchaus eine Reihe gibt, zu arbeiten.
Die einzige Möglichkeit hier etwas zu ändern, besteht darin, an der Wahlurne seine Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen und bei Umfragen dasselbe zu tun. Positive Umfragewerte sind das Lebenselixier von Populisten, wenn sie dann auch noch Narzissten sind, wie unser aktueller Bundeskanzler, dann wird klar, dass man ihre Politik nur dann ändern kann, wenn man ihnen klar macht, dass man sie auf ihrem Weg nicht unterstützt. Als Einzelner kann man (nur) entgegenwirken, indem man die Menschen, um die es hier geht, bewusst in den eigenen Lebensbereich einbindet, in Gesprächen – auch wenn man es manchmal leid ist, immer wieder gegen dieselben Phrasendrescher antreten zu müssen – auf positive Lösungsansätze und vor allem auf die oft himmelschreiende Ungerechtigkeit und das Lügenkonstrukt hinzuweisen, auf das sich viele der vermeintlich rechtsstaatlichen Maßnahmen stützen.
Ja, es stimmt, dass Österreich nicht “alle Flüchtlinge” aufnehmen kann und das haben wir auch nie getan, tun wir nicht und werden wir nicht tun. Es stimmt auch, dass Österreich in seiner Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg sehr viel mehr als viele andere Länder in Europa zur Aufnahme von Flüchtlingen getan hat (1956, 1968, in den 1990er Jahren zurzeit des Jugoslawien-Krieges) und auch jetzt mehr Flüchtlinge, umgerechnet auf die Einwohnerzahl, aufgenommen hat als so mancher Nachbarstaat.
Es ist aber falsch, zu behaupten, dass Österreich damit schlecht gefahren wäre. Wir zählen zu einem der sichersten und reichsten Länder dieser Welt, gerade auch deshalb, weil viele Menschen, die zu uns gekommen sind, zu unserem Wohlstand und zu unserer Sicherheit beigetragen haben. Das geht nur, wenn man die Menschen an der Gesellschaft teilhaben lässt.
Ein Mensch, der sich zu der Gesellschaft, in der er lebt, bekennt, weil er sich als Teil der Gesellschaft fühlt, bringt mehr Sicherheit für die Gesellschaft als so manche Spezialeinheit eines Innenministeriums (ohne die Bedeutung Letzterer in Abrede stellen zu wollen).
Es ist eine glatte Lüge, wenn behauptet wird, man müsse per Gesetz Menschen mit einem negativen Asylbescheid abschieben. Diese Lüge ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten, weil sie jene, die sich gegen dieses Narrativ stellen, als Rechtsbrecher abstempelt, als Leute, die den vermeintlichen Rechtsstaat untergraben würden.
Es wäre ein Leichtes, Menschen, die bewiesen haben, Teil unserer Gesellschaft sein zu wollen, auch nach einem negativen Asylbescheid unter Rücksichtnahme ihres Einsatzwillens als einfache Zuwanderer aufzunehmen. Es gibt kein einziges Gesetz, keine einzige Verordnung oder sonstige Vorgabe, die irgendeinen Politiker oder Beamten dazu zwingen würde, Menschen abzuschieben, die einen negativen Asylbescheid haben.
Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich die Befolgung eines Ausweisungsbescheides durch einen Menschen, der von einem solchen Bescheid betroffen ist. Die Frage ist, warum man überhaupt einen solchen Ausweisungsbescheid ausstellt, wo es doch eine ganze Reihe von rechtlichen Möglichkeiten gäbe, die Menschen in Ruhe hier leben zu lassen.
Es gibt auch keine Sogwirkung, wenn man statt nur “Rabatte” auszuhandeln, darauf drängt, dass sich Europa solidarisch verhält und zwar mit der gesamten Welt und nicht nur unter sich.
Noch immer werden rund 80 % aller Flüchtlinge in Entwicklungsländern aufgenommen.
Und letztlich geht es auch darum, in den Herkunftsländern der Vertriebenen dafür zu sorgen, dass es mehr Stabilität und zumindest ein Mindestmaß an friedlicher Koexistenz gibt.
Es geht nicht darum, die Menschen vor Ort von jeglicher Verantwortung für die bestehenden Konflikte freizusprechen. Auch wenn Waffen aus dem Westen geliefert werden, so sind es Gruppierungen vor Ort, die diese Waffen gegen ihre Landsleute einsetzen – aus den unterschiedlichsten Gründen, von denen einer unmenschlicher als der andere ist.
Trotzdem muss sich der “Westen” (dazu zähle ich auch Länder wie Russland, China etc.) die Frage gefallen lassen, wie es einerseits möglich ist, eine immer rascher um sich greifende Totalüberwachung der eigenen Bevölkerung voranzutreiben, man aber gleichzeitig so tut, als sei es nicht möglich, staatliche Waffenlieferungen und/oder die Machenschaften von privaten Waffenhändlern, die oft Beziehungen bis in die höchsten politischen und wirtschaftlichen Kreise haben, zu unterbinden.
Der Brief des jungen Mannes ist ein Protokoll gesellschaftlichen Versagens. Auf der steten Suche nach Gründen bzw. einer moralischen “Rechtfertigung” für eine Ablehnung, Ausgrenzung bis hin zur Stigmatisierung und Verfolgung von Menschen, werden grundlegende Werte ausgehöhlt, ohne die eine Gesellschaft nicht bestehen kann.
In Krisenzeiten wird das besonders deutlich. Wenn bei den mit einem Virus Infizierten sofort nach deren Herkunft gefragt wird, wenn so getan wird, als ob jene, die man in Massenquartiere pfercht, plötzlich die Schuldigen wären, wenn man die bestraft, deren Rechte man beschneidet.
Es nicht alles schlecht im Hause Österreich. Viele Menschen, ungeachtet ihres gesellschaftspolitischen und persönlichen Hintergrunds, leisten tagtäglich sehr viel, um unsere Gesellschaft am Laufen zu halten. Aber es gibt treibende Kräfte, die es sich wohl auf die Fahnen geheftet haben, ständig Keile in unsere Gemeinschaften zu treiben und die es irgendwie immer wieder schaffen, Ängste zu schüren und auf diesen Ängsten ihre Wahlerfolge aufzubauen.
Ja, es gibt Probleme, auch mit Zuwanderern, aber nein, diese Probleme löst man nicht durch grobe Verallgemeinerungen, hirn- und herzlose politische Entscheidungen, sondern nur im Dialog und mit der nötigen Konsequenz bei der Bekämpfung jener gesellschaftlichen Strömungen, die aus welchen Beweggründen auch immer, ein Miteinander verhindern wollen.
In diesem Sinne kann ich nur hoffen, dass sich immer mehr Menschen in ihrem privaten Umfeld gegen die aktuelle Politik aussprechen, dass niemand von uns müde wird, Gespräche mit Leuten zu führen, die – teils aus Angst, teils aus Unwissenheit – diese Politik unterstützen und dass wir begreifen, dass unser Glück nicht mehr wird, indem wir das Leid anderer ignorieren und/oder vergrößern.
Ich bin traurig und hoffnungsfroh zugleich. Wäre ich das nicht, könnte ich morgens nicht mehr aus dem Bett steigen…..