Es war eine kalte, stürmische Nacht auf Lesbos, als die kleine Familie aus dem Boot stieg. Die Wellen schlugen hoch, der Wind heulte, und der Strand war leer – bis auf eine Gruppe erschöpfter Menschen. Unter ihnen war ein Vater mit seinen beiden kleinen Töchtern, Layla und Sara.
Die beiden Mädchen trugen die Spuren einer langen, schmerzhaften Reise. Sie mussten in einer Welt leben, die sie viel zu früh erwachsen gemacht hatte.
Ihr Vater, Hassan, war erschöpft und überfordert. Die Reise hatte ihn gebrochen. Er war ein Mann, der seine Familie stets beschützen wollte, doch der Gedanke, was sie alles durchgemacht hatten – das ständige Aufeinandertreffen mit Gefahr, die Flucht vor Gewalt, die Schläge, die Wellen und das ständige Gefühl der Unsicherheit – eine extreme Belastung.
„Es wird alles gut“, flüsterte er immer wieder, während er Layla und Sara an sich zog. Doch die Worte schienen eher eine Mahnung an ihn selbst.
Sie hatten Glück, sie wurden gefunden und ins Camp gebracht. Großes Glück – denn Hilfe kam Schritt für Schritt, in kleinen, aber wichtigen Momenten. Engagierten Kolleg:innen und wir, unterstützt durch großzügige Spenden, arbeiteten unermüdlich daran, besonders vulnerablen Geflüchteten eine Grundlage zu bieten – eine Unterkunft, die zumindest vor Wind und Regen schützte, ein Paket mit Lebensmitteln, das ein wenig Sicherheit gibt.
Sie erhielten eine kleine Wohnung. Für Layla und Sara gab es irgendwann Schulplätze. Jeden Morgen, wenn sie mit den anderen Kindern dort saßen, versuchten sie, in der neuen Sprache zu lernen, zu lachen und zu spielen. Doch hinter ihren Augen lag ein Wissen, das andere Kinder in ihrem Alter noch nicht hatten – ein Wissen um Verlust, Schmerz und das Gefühl von Heimatlosigkeit.
Hassan, der sich oft von der Last der Verantwortung erdrückt fühlte, erhielt Unterstützung für etwas Arbeit. Ein kleines Netzwerk von Inselbewohner:innen half ihm dabei. Vermittelten ihn an einen griechischen Handwerker, natürlich ohne Versicherung, 2,50 die Stunde.
Nach Monaten erhielten sie plötzlich Asyl und einige Monate später auch ihre Dokumente. Es war ein Moment der Erleichterung – zeitgleich aber auch der Unsicherheit. Was nun? Wohin sollten sie gehen? In Griechenland konnten sie nicht bleiben. Keine richtige Arbeit, keine Wohnung, keinerlei Unterstützung für die 1. Schritte mit Asyl, keine staatliche Starthilfe für einen Neubeginn. Doch als Hassan in die Augen seiner Töchter Layla und Sara sah, die schon so viel Mut bewiesen hatten, gewann Hassan neue Kraft.
Hassan bat um ein letztes Treffen mit den Helfer:innen. „Ohne euch… ohne all die Unterstützung hätte ich nicht gewusst, wie es weitergeht“, sagte er und seine Stimme brach. „Ich danke euch von ganzem Herzen.“
Und so gingen Layla, Sara und ihr Vater weiter aufs Festland – bereit für eine neue Reise, irgendwohin, wo sie vielleicht Frieden und endlich ein neues Zuhause finden würden.
Wir hoffen sehr, dass ihr Weg sie zu einem friedlichen Ort führt, wo die Mädchen in Frieden aufwachsen können, mit einem sicheren Dach über dem Kopf und einer Zukunft voller Möglichkeiten. Vielleicht nicht gleich heute, aber in ihren Herzen wird der Glaube an einen besseren Morgen weiterleben – ein Glaube, der auch uns dazu motiviert, niemals aufzuhören zu helfen.
Weihnachten ist nicht immer voller Geschenke und Lichter.
Manchmal ist es die stille Hoffnung, die uns durch die dunkelsten Nächte trägt. Und diese Hoffnung, so klein sie auch sein mag, ist vielleicht das größte Geschenk, das wir erhalten und geben können.
Wir wünschen Euch ein zufriedenes Adventswochenende,
Doro & Team