Ich finde es wichtig, dass wir, bevor wir über Pushbacks sprechen, einmal klar aussprechen, was sie sind und bedeuten.
Pushbacks sind illegale Rückführungen von Menschen, seitens Regierungen.
Sie verstoßen gegen internationales Recht, sie verstoßen u.a. gegen das Verbot der Kollektivausweisung, welches in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben ist.
Bei Pushbacks werden Geflüchtete auf brutalste und grausame Art und Weise von der Grenze des Landes, welchen den Pushback ausübt, in das benachbarte Land, aus dem die Menschen gerade kommen, zurückgedrängt.
Das verstößt deshalb gegen internationales Recht, weil die Menschen auf der Flucht das Recht haben, einen Asylantrag zu stellen und dieser dann geprüft werden muss.
Kidnapping, Raub, schwerste Körperverletzungen sind dabei keine Seltenheit, auch Totschlag ist bereits passiert.
In Griechenland, speziell auf den griechischen Inseln läuft das so ab:
Die Geflüchteten werden von der Hellenic Coast Guard/HCG am Meer, in ihren oft sehr desolaten Booten „aufgespürt“.
Dass bei diesen Suchaktionen auch FRONTEX eine große Rolle spielt, dürfen wir niemals unausgesprochen lassen.
Die Boote, Drohnen, Helikopter und Posten am Land suchen Tag und Nacht das Meer nach Geflüchteten ab.
Hat man ein Boot erspäht, macht man sich auf die Jagd.
Es gibt so viel Beweismaterial/Videos, wie brutal HCG vorgeht, wenn sie die Geflüchteten finden und stellen können.
Es wird auf die Boote, sehr oft auch auf die Menschen, eingeprügelt.
Nichts spielt dabei eine Rolle, Kinder, Alte, Kranke, nichts.
Sie sollen leiden, sich fürchten, die Betroffenen.
Sie sollen ihre Community davon abhalten, hier her zu wollen, nach Europa.
Jede(r) soll es wissen, ihr seid hier unerwünscht. Und das zeigen Europa auch mit massiver Gewalt.
In lauen Sommernächten kann es vorkommen, dass man auf der Insel die Schreie der Geschundenen hört.
Nicht nur auf der Insel, auch in der Türkei.
Diese „Schreie“ dringen bis nach Europa – sie werden übermittelt, dokumentiert, die Vorgänge gefilmt.
Europa bleibt hart und schaut weg – wir müssen Flucht regulieren, notfalls auch mit Gesetzesbruch und Folter, scheint das europäische Credo zu sein.
Die Menschen werden dann gezwungen, von ihrem Boot auf sogenannte „Life Rafts“ – Rettungsinseln zu wechseln, die nicht viel besser als eine besonders feste Luftmatratze sind.
Nach all der Brutalität der nächste Schock. Man nimmt den Menschen vielfach alles weg. Dokumente, Rucksäcke mit ihrem letzten Hab und Gut, Geld, Mobiltelefone, die übrigens sehr oft die einzige Erinnerung an zuhause und Familie enthalten, in Form von Fotos.
Ihr versteht, wenn wir sagen, man entblößt die Menschen vollkommen.
Diese Demütigung, diese maßlosen Entwürdigungen hinterlassen tiefe Wunden und bleiben den meisten Betroffenen ein Leben lang in Erinnerung.
Auf dieser „Rettungsinsel“ triften die Menschen dann am offenen Meer, nachdem man sie, hier in der Ägäis, zuerst zurückgezogen hat, an den Rand der, oder direkt in die türkischen Gewässer.
Es dauert oft Stunden bei stürmischen Winden, hohem Wellengang, oder brütender Hitze, bis die Türkische Küstenwache die Menschen findet, abholt und zurück in die Türkei bringt.
Dort kann es dann auch schon mal zu Verhaftungen kommen, im Gefängnis dann zu sexuellem Missbrauch, usw..
Die Liste der Erfahrungen, die Menschen auf der Flucht in unser aller Namen machen müssen, sind lang und schrecklich.
Was bei all diesen Verbrechen immer wieder übersehen wird – was macht das alles mit Europa, mit unserer Gesellschaft, mit jeder(m) einzelner(m) von uns?
Auch wenn wir es noch nicht realisiert, oder nicht wahrhaben wollen – all dies sind Schritte in Richtung Verrohung.
Gedanklich, sprachlich, emotional – die „hässlichen“ Bilder, wie sie einst ein unreifer, verantwortungsloser, junger Politiker nannte – sie prägen uns alle.
Es gibt natürlich immer wieder Menschen, die die Insel erreichen. Alle müssen diese gefährliche Fahrt immer und immer wieder probieren. Es gibt kein zurück.
Wohin?
In Kriegs- und Hochrisikogebiete, in verödete Länder, die wegen Ausbeutung, Klimawandel keine Lebensgrundlage mehr bieten, in Zwangsehen, Prostitution, in Rekrutierung für Krieg..?
Manchmal hat man auch das Gefühl es stecke auch extreme Willkür in diesem brutalen und unrechten System.
Es werden tagelang Boote „durchgelassen“, um später die überfüllten Camps zu präsentieren und zu rufen: „Wir brauchen Camps außerhalb der EU“.
Ich kenne viele Geflüchtete, eigentlich die meisten, die brutalste Pushbacks hinter sich haben, manche im 2-stelligen Bereich.
Ihre Antwort auf „how are you?“ – „thx, I’m good“ ist eine Täuschung, ein Schutz und wahrscheinlich auch ein Versuch, diesen Albträumen zu entrinnen.
Für unser aller Zukunft – kämpfen wir weiterhin für Menschen und ihre Rechte, kämpfen wir für ein faires Asylsystem, dass unseren Gesetzen entspricht, denn was vielen (noch) nicht klar zu sein scheint – es sind unser aller Rechte um die wir kämpfen!
In diesem Sinne,
bleiben wir stabil und liebend,
Doro