Telefonate mit Dir, A. Jan

und all die anderen AfghanInnen in unserem Land.

ANGST

Weißt du Jan, ich bemühe mich immer wieder in unseren langen Telefonaten die richtigen Worte zu finden.
Doch was sind die richtigen Wörter? Welche Worte schickt man nach Afghanistan?
Bleiben wir in den Minuten hängen, in denen wir zusammen Persisch üben, in denen wir müde lächeln, manchmal auch lachen, oder bleiben wir in jenen Momenten hängen, wo wir unser Innerstes öffnen und uns eingestehen, wie unfassbar und wie unmenschlich deine Situation ist?

Zu sagen, ich versteh dich ist eigentlich ein Schmerz. Denn du weißt genau, dass ich mir wünsche dich zu verstehen aber, dass ich das Gefühl deiner momentanen Situation nicht kenne.
Und ich weiß genau, dass alles was ich sage, so viel bewirken, oder aber im nächsten Moment nichts sein kann.

Die Angst, das Nichtwissen, wie es weiter gehen wird, was das Ende des Monats bringt, die Vorstellung, dass die Sache irgendwie schief läuft, macht beiden von uns schwer zu schaffen.
Es gibt 100.000 Meinungen dazu, unterschiedlichste juristische Sichtweisen und unzählige, die es besser wissen.

Doch es gibt auch was anderes:
Es gibt die vielen Menschen, die mir schreiben, die sich Gedanken um dich machen, die mit dir trauern und die mit dir hoffen!
Und es gibt ganz viele Menschen, die mir schreiben, wie furchtbar sie das Schicksal der AfghanInnen finden. Dass sie es nicht wollen, dass das BFA jetzt auch beginnt, den subsidiären Schutz bei vielen zu überprüfen, dass sie es sehr bedenklich finden, dass es interne Weisungen gibt, die besagen, die AfghanInnen müssen heim.
Viele haben ANGST und viele tragen den Keim des Unverständnis für die momentane Asylpolitik in sich.
Und viele meditieren den Satz
„Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“
Auch dieser Satz macht manchmal ANGST. Wissen wir doch alle, gehen wir ihn zu Ende, dass wir sehr friedlich, aber sehr mutig sein werden müssen.

Ich weiß um deine Trauer und glaub mir, ich vergieße Tränen um dich und um die jungen Menschen. Es wird versucht ihnen und uns alle Hoffnungen zu nehmen. Ich weiß.
Doch wir alle besitzen etwas was den Menschen, die gegen euch entscheiden fehlt, die Liebe.
Sie können es sich nicht vorstellen, dass all die Menschen, die jetzt um FreundInnen, Familienmitglieder, um Patentöchter, -söhne trauern sich zusammen tun und sagen, Nein, Abschiebungen nach Afghanistan sind Unrecht!
Sie wissen das alle. Sie wissen, dass die Lage in Afghanistan schlechter denn je ist, sie wissen, dass viele von denen, die deportiert werden ein unvorstellbar gefährliches und trauriges Leben vor sich haben und dass etliche sterben werden.
Und ich verstehe, dass du und viele von euch sehr schwer in der Lage sind, an Recht in unserem Land zu glauben.

Uns HelferInnen, NGOs, Ehrenamtlichen geht es genau so, seit wir Stunden am BfA mit euch waren, unseren Innenminister und die menschenverachtenden Aussagen einiger seiner ParteikollegInnen hören.

Dann weiß ich aber, tief in meinem Herzen, dass jede menschenverachtende Aussage und Handlung den inneren Widerstand bei uns und bei vielen anderen, neuen Leuten stärkt.

Viele Menschen sprechen aus, wie dankbar sie für unser Tun sind und fragen, wie sie unterstützen können. Viele schreiben, viele motivieren. Viele nehmen gerade jetzt AfghanInnen auf.
Es bewegt sich viel, es brodelt in den Herzen!
Und das, macht mich stark, auch wenn ich Angst habe.
Ich/wir werden für dich, für euch einstehen. Und wir werden Recht fordern, weil wir ein Rechtsstaat sind und genau das, nämlich Recht uns allen zusteht.
Ich spüre und sehe genau, wieviele Menschen, auch neue, andere, sich plötzlich dieser Ungerechtigkeit zuwenden, es noch schlecht zuordnen können und trotzdem etwas in ihnen erwacht ist, was nicht mehr ruhen wird, bis dir/euch Gerechtigkeit widerfährt.

Du siehst Jan, Angst gehört dazu, bei uns allen.
Doch verlieren wir niemals den Glauben an die Liebe und an das Recht!
Jetzt sind wir aktiv, täglich, um unserer Angst ins Auge zu schauen und einzustehen für Menschen, für dich, für andere, für die Liebe, Menschenwürde und Recht.
All deine quälenden Fragen werden beantwortet und gegen all die Ungerechtigkeiten werden wir unsere Stimme erheben, tun das ja schon, immer mehr und immer konsequenter.
Du fragst warum soviele schweigen? Keine Sorge Jan, viele von ihnen üben gerade zu sprechen.

Ich umarme dich, schicke dir Gedanken und Wünsche, die dir helfen deine Angst und deine große Einsamkeit zu ertragen und dein Herz weit und stark zu machen für die Hoffnung, die dich liebevoll umarmt und trägt.

In inniger Verbundenheit und im täglichen Tun für dich, für die AfghanInnen, umarme ich dich! Ich trage dich im Herzen Jan, deine Doro.

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