Antwort auf dein Schreiben vom 6.7.18, 3 Monate nach deiner Verhaftung in Schubhaft.
Ach du mein lieber Freund!
Du schickst mir deine Gedanken zum Tag deines Interviews „Humanitäres Bleiberecht“ in Österreich und deiner dort stattfindenden Verhaftung in die Schubhaft.
In Sekundenschnelle erlebe ich dieses Gefühl der Ohnmacht, als du neben mir, nach einer 1 1/2 Std dauernden Befragung, nach Vorlegung der besten Integration (HTL Zeugnisse, Jobzusage, uvm) ohne jede Vorwarnung, teilnahmslos und einem freundlichen Lächeln der BfA Beamtin verhaftet wurdest.
Ich erinnere mich an dein Gesicht, an deine Mimik, die all den Schmerz und das Unverständnis zur Schau trugen, welches dich überschwemmte.
Und ich erinnere mich an meine Hilflosigkeit, an meine Bitten, doch das Ende des laufenden Verfahrens abzuwarten. An meine Ohnmacht, meine Trauer, an meinen Zorn.
Dass sich auch der zuständige Richter die Frage erlaubte, ob das jetzt nicht unökonomisch und etwas unverständlich sei, dich abzuschieben hat mich später etwas beruhigt in meiner immer währenden Frage nach „Wie werden Gesetze gespielt?“
Jetzt sind 3 Monate vergangen, du alleine, versteckt, voller Angst vor Entdeckung in Afghanistan, einem Kriegsland der brutalsten Art.
Ich, hier in in einem der sichersten Länder der Welt, umgeben von meiner Familie, meinen liebevollen, großartigen FreundInnen und UnterstützerInnen und meinen Jungs aus Afghanistan, die Großartiges leisten. Alle sind immer wieder in Gedanken bei dir, Jan.
Ich lebe mein Leben, Höhen und Tiefen, erschaudere beim Einschalten der Nachrichten, beim Beobachten der Praxis im politischen Umgang mit Flüchtlingen.
Ich lache, weine, ich trauere, ich kämpfe, …..oft bin ich fassungslos und so unheimlich wütend.
Man spricht von Recht?
Ich frage mich täglich, wo ist die Grenze Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und grausames politisches Kalkül im Namen des Rechts zu akzeptieren?
Ich frage mich täglich, was kann ich dazu beitragen um diese Abgestumpftheit, diesen Neid, diese gezüchtete Angst zu verändern, die Menschen wieder in die Barmherzigkeit, in die Nächstenliebe, die Liebe zu bringen?
Täglicher Kontakt
Täglich telefonieren wir.
Wir führen philosophische, traurige, lange, kurze Gespräche. Manchmal lachen wir gemeinsam, manchmal schweigen wir, manchmal beendest du das Telefonat, damit ich deine Trauer, deine Tränen nicht sehen muss, manchmal verlassen mich die Nerven, wenn du berechtigter Weise deinen Zorn über unser Land fließen lässt. Verzeih mir Jan, doch dann denke ich an die vielen wunderbaren Menschen in unserem Land, an meine Familie, an Menschen die unermüdlich in friedlichem Kampf gegen dieses Unrecht, Abschiebungen nach Afghanistan ankämpfen.
Und ich denke daran, wie sehr ich wünsche deine Trauer, deine Verzweiflung, diesen furchtbaren Schmerz des Alleingelassen zu mindern.
Wie gerne ich dich in die Arme nehmen würde und wie gerne ich dir sagen würde: „es ist vorbei“.
Wie gerne ich dich beobachten würde, wie du deinen Job als Techniker in Österreich, für den du eine Zusage hast antrittst und langsam, langsam aber beständig die dir zugefügten seelischen Wunden heilen und du wieder zu dem findest, was du bist.
Unser Pakt, wir bleiben verbunden!
Lieber Ahmad Jan, viele meiner Handlungen sind spontan, den täglichen Bedürfnissen, Herausforderungen des Lebens angepasst. Doch es gibt auch viele Dinge, die verfolge ich konsequent.
Eines davon ist der Einsatz für dich. Ich bin selbst oft müde, verzweifelt, doch am Ende siegt immer die Zuversicht, die mich in täglichen kleinen Schritten vorangehen lässt.
Sei versichert lieber Ahmad, ich und eine kleine Gruppe von sehr mutigen, liebevollen Menschen werden deinen Fall so lange im Auge behalten, dafür arbeiten so gut wir können, bis wir eine Antwort erhalten.
Und egal wie sie ausfällt, wir werden nicht eher ruhen, bis du an einem Platz gelandet bist, wo du die Schönheit des Lebens und deines Wesens verbinden kannst!
Sei zuversichtlich, auch wenn die grauen Schatten dein Herz beengen, die Liebe wird siegen und wir werden unsere Gespräche, unsere Briefe so lange fortführen, bis Frieden und das Wissen um deine Sicherheit in unseren Herzen eingekehrt ist.
Trotz 1000ender Kilometer räumlicher Entfernung im Herzen bei dir,
Doro
Kommentare 3
Lieber Ahmad, liebe Doro! ❤
Ich fühle so mit euch und bete für euch und denke dabei gleichzeitig an “meine Jungs”, die immer hoffnungsloser und auch wütend und sehr traurig werden bei allem, was hier passiert.
Lieber Ahmad, Gott beschütze dich und führe dich sicher wieder nach Österreich zurück. ❤??
Author
Herzlichen Dank liebe Christina für deine Wünsche, alles Liebe, Doro
Lieber Ahmad ! Ich komme jetzt erst dazu , dir zu schreiben . In meinem Leben hat sich so vieles
positiv verändert .Ich helfe afgh.Jungs in verschieden Situationen . Viele haben Angst und ich versuche , Beziehungen aufzubauen , die von Vertrauen und Liebe getragen sind .Es sind so wundervolle Jungs und ich bin so dankbar dafür . Was in Österreich politisch passiert ,ist Wahnsinn, aber das hast du ja am eigenen Leib bitter erfahren müssen .Ich denke so oft an dich , wie tapfer du dieses Leben erträgst ! Und ich wünsche mir für dich , dass alles ein gutes Ende findet und du wieder zurückkommst . In der Zwischenzeit leisten wir hier Widerstand .Es tut sich schon was bei einigen Menschen und auch bei einigen anständigen Politikern ……aber noch viel zu wenig . Wir müssen stark bleiben für dich und für unsere afgh.Mitmenschen .Ich hab sie so lieb gewonnen , dass sie in meinem ❤en fest verankert sind . Ich werde jetzt ein kleines Kerzlein anzünden für dich und an dich denken .Bleib gesund und hab immer Hoffnung . Alle guten Wünsche schickt dir Anita