Lesbos – Menschenrechtsbruch an EU-Außengrenze

Dank all Ihrer/Eurer Unterstützung können wir immer noch hier sein und dringend notwendige Katastrophenhilfe leisten. Herzlichen Dank für die Unterstützung.

Wir berichten über unsere Arbeit, zeigen Bilder unserer Verteilungen von Lebensmittel, Frauenpaketen mit Hygieneartikel, Babypäckchen, usw. Wir zeigen die lachenden Gesichter unserer Volunteers, sie tragen Liebe im Herzen für unsere Mission und größten Respekt und Wertschätzung für die Betroffenen. Wir zeigen Bilder vom Homeschooling, von gemeinsamen Essen mit Schutzsuchenden, von Einkäufen, von Meetings mit anderen Aktivist*innen hier auf der Insel. Doch es ist auch wichtig über das Leid, den Schmerz und die Qualen zu sprechen, die hier in Griechenland den Menschen auf der Flucht, Schutzsuchenden und Asylberechtigten gleichermaßen zugefügt werden. Das geht nicht spurlos, weder an den Betroffenen, noch an uns vorüber.

Wir können in Supervision, besprechen und begleiten uns gegenseitig, Fayad ist mir da auch immer wieder eine große Stütze. Wir können immer wieder nach hause zu unseren Familien, Freund*innen unsere Wunden heilen, die Betroffenen aber bleiben zurück, mit all ihrem Kummer, ihren von uns zugefügten Verletzungen, mit ihren traumatischen Fluchterfahrungen. Das macht uns tief betroffen, traurig, zum Teil hilflos und auch wütend.

Die Realität hier ist folgende:

Die fallenden Zahlen haben das Elendscamp nicht wirklich zu einem besseren Ort gemacht. Festere Zelte, die von einer NGO wieder mit Plastik abgedeckt werden müssen, damit sie wärmer sind und den Winterstürmen standhalten. Catering, das mehr Essen verrechnete, als verteilt und eine Kost liefert, die den Menschen Magen- und Darmprobleme bereitet. Eisige Winde, die die Schutzsuchenden noch mehr isolieren, als sie es in diesem Camp bereits sind. Ausgang wird zum Spießrutenlauf in der City, denn übereifrige Polizisten verhängen Strafen bis zu 300€, mit der Behauptung „es sei heute nicht der Tag an dem für die betroffene Person Ausgang erlaubt sei.“

Im Quarantänebereich gibt es weder warmes Wasser, geschweige denn Duschen. Die große, regierungsnahe NGO „Euro Relief“, denen offenbar die Beziehung zu Gott wichtiger ist als zu den Betroffenen hat viele Probleme in diesem Camp zu verantworten. Klar, niemand traut sich darüber zu sprechen, denn man fürchtet, dass einem bei der täglichen Arbeit Steine in den Weg geworfen werden. Doch es ist dringend an der Zeit all diese Dinge anzusprechen, denn tun wir das nicht, machen wir uns mitschuldig.

Nach 1-2 Ausgängen die Woche werden am Wochenende und an Feiertagen die Camptore geschlossen, denn die Inselbewohner wollen unter sich sein und den Schutzsuchenden kann man ein weiteres Mal zeigen wo sie stehen und welchen Stellenwert sie in der griechischen Politik haben.

Asylberechtigte warten monatelang auf ihre Dokumente, alle finanziellen Unterstützungen wie Grundversorgung, usw. werden in diesen Monaten eingestellt. Die Menschen verlassen in der Früh, nach unzähligen schlaflosen Nächten ihre Zelte in gebückter Haltung, please und thank you, bittend aufschauend zu uns, den „Herrenmenschen“, ist für sie Alltag geworden. Es ist an Grausamkeit kaum zu überbieten. Selbst für abgelatschte Schuhe und lieblos gekochtes Essen ein Danke. Und oft am Schluss noch „I’m sorry to disturb you“. Kaum erträglich.

Die „Hellenic Coast Guard“ Boote lagern gemeinsam mit dem FRONTEX Boot in der Bucht von Mytelini. http://www.frontexinvestigation.eu Doch nur tagsüber, nachts jagen sie gemeinsam, Flüchtlinge auf offenem Meer. Bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit werden illegale Pushbacks verübt. „Man muss das tun“ und es sei richtig, verlautbart der griechische Minister bei jeder Gelegenheit. Man müsse das eigene Land „verteidigen“. Dies rechtfertigt offenbar die brutale Vorgehensweise am offenen Meer. Europa/die Kommission spricht zwar immer wieder davon, dass dies beendet werden muss, doch nachhaltige Konzepte dafür kann niemand erkennen. Im Gegenteil, NGOs, Aktivist*inne die sich dafür interessieren, sich dazu äußern, die Vorkommnisse dokumentieren, werden angefeindet, kriminalisiert, das geht so weit, dass ihnen Schlepperei zum Vorwurf gemacht wird.

Gestern habe ich eine Familie mit einem 5 jährigen Kind getroffen, sie waren am letzten Schnellboot, das mitten im Camp gelandet ist. Man kann es im Hafen von Mytelini anschauen. Niemand fand es der Mühe wert, einen Socken und ein in der Panik fallengelassenes Babyfläschen weg zu räumen. Ein Bild, das sehr betroffen macht. Zeitgeschichtliche Dokumente des Horrors.

Der Vater des Kindes erzählte mir, dass sein Sohn seit der Überfahrt kaum mehr spricht. Auch wenn die Familie vermieden hat über die Gefährlichkeit der Fahrt neben ihm zu sprechen, als sie auf dem Boot saßen war nichts anderes mehr als die raue Winterägäis und die Angst der 30 Menschen am Boot greifbar. Er musste Syrien verlassen, viele seiner Familienmitglieder sind während des Krieges verstorben, der letzte wurde aus einem Hinterhalt erschossen.

Sie konnten nicht mehr bleiben. Er ging in die Türkei, dort wurde er inhaftiert, weil er „unbefugt“ das Land betreten hatte. Kurde, er ist dankbar, dass ihm nicht mehr als 13 Monate Haft unter unwürdigsten Umständen passiert sind.

Dann hat er sich mit seiner Familie auf den Weg nach Griechenland gemacht. Seine Frau sitzt neben ihm, sie lächelt mir scheu zu, doch jede Sekunde spüre ich ihre große Trauer und auch Scham über diese würdelose Situation.

Politik und Behörden vermitteln den Menschen hier jede Sekunde, bis ins kleinste Detail, nicht willkommen, eigentlich Eindringlinge zu sein. Sie hätten kein Recht hier zu sein. Griechenland und Europa weigern sich der Realität der Welt zu stellen. Auch Österreich nimmt dabei eine sehr enttäuschende Rolle ein. Seit Jahren keine „humanitäre Aufnahme“, keine Bewegung in Richtung „Wir sind Europa“, die Forderungen und auch konkreten Vorschläge, wie zB. von Courage, http://www.courage.jetzt 100 asylberechtigte Familien aus den Elendscamps in Griechenland und der Obdachlosigkeit in Athen aufzunehmen, oder die große Kampagne von http://www.sosmitmensch.at/humanitäre Aufnahme, werden von Bundeskanzler Nehammer und Innenminister Karner mit billigen Ausreden abgetan.

Solange es in der Bundesregierung, sprich Volkspartei und die Grünen niemanden gibt, der sich aufrichtig und kompromisslos für Menschenrechte einsetzt werden diese weiterhin gebrochen und Österreich wird sich nicht einfügen in die „Koalition der willigen Länder“ Europas. Wahrlich beschämend.

Auch wenn wir alle, wir als Team unsere Arbeit hier als Berufung sehen, wären wir überglücklich morgen heim fliegen zu können, weil die Menschen hier so untergebracht und versorgt werden wie es Menschen gebührt. Da dem nicht so ist bleiben wir hier und bedanken uns bei Euch sehr herzlich für Eure Unterstützung. Egal ob 1, 100, oder 1000 Euro, jede Unterstützung zählt und trägt dazu bei, dass die Menschen hier vor Ort, in unserem Fall insbesondere die vielen Familien außerhalb des Camps, das was sie zum Leben brauchen, Lebensmittel, Hygieneartikel, Babysachen, Kinderbedarf, Homeschooling, Schuhe, Koffer, Haushaltsartikel, auch Rechtsberatung, warme Unterkunft, usw. bekommen. Innigen Dank, 10 – 20€ im Monat ist vl. für Euch nicht viel, doch für manche hier bedeutet es 1 ganze Woche Lebensmittel. Wir unterstützen auch regelmäßig MVI- Medical Volunteers International, Ärzt*innen die alle ehrenamtlich ihren Beitrag für Menschen auf der Flucht im Camp leisten, eine mtl. Einzahlung beim hiesigen Apotheker für Medikamente. Auch andere Organisationen und ab und an eine große Lebensmittelverteilung im Camp sind uns ein wichtiges Anliegen. Dank Ihnen/Euch immer wieder möglich. Lassen wir die Menschen nicht im Stich, arbeiten wir gemeinsam weiter für Betroffenen und für unser aller Recht, Menschenrecht. Dankeschön <3. Den Spendenbutton finden Sie, findet Ihr auf unserer Seite, sowohl über unser Konto, als auch über Paypal ist eine Einzahlung möglich. https://doroblancke.at/spende/

Heute ist Sonntag, das Camp geschlossen, sowohl unsere Community Volunteers, als auch unser österreichischen Volunteers ruhen sich aus, um gemeinsam ab Montag morgen wieder voller Elan und und mit viel Herz bis jeweils Samstag Nachmittags für die Schutzsuchenden auf Lesbos im Einsatz zu sein.

Schönen Sonntag,

Doro

GFin Flüchtlingshilfe/refugee assistance – Doro Blancke

AT93 3842 0000 0002 7516

Gestalten wir gemeinsam eine gerechte und menschenfreundliche Zukunft.

Konfisziertes Boot, mit dem Geflüchtete auf Lesbos gelandet sind
Feuer im Camp auf Lesbos

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert