Terror, egal von wem er kommt, macht uns alle zutiefst betroffen.
Uns alle! Umso wichtiger und wohl die einzig vernünftige Lösung ist, dass wir uns verbinden, dem Trennenden in keinster Weise eine Chance geben, auch die Menschen mit all ihren Ängsten ernst nehmen und im Dialog bleiben.
Wie sehr uns solche Ereignisse fassungslos machen, egal woher wir kommen, zeigt folgende Geschichte.
Einer der jungen Afghanen im Camp #KaraTepe, der täglich mit uns arbeitet, dolmetscht, Essen verpackt, verteilt, die Sorgen der Menschen für uns übersetzt, Listen der Zelte schreibt, wo wer wohnt, welche Bewohner*innen, Kinder, Babys, usw. , schreibt mir am Morgen wie leid es ihm täte, dass wir dies in unserem Land erleben müssen und er empfinde tiefstes Mitleid mit den Menschen, die getötet wurden, den Verletzten und allen Angehörigen. Er schreibt auch wie furchtbar das findet und wie traurig ihn das alles macht. Auch ich trauere, mein Mitgefühl ist bei all jenen, die Menschen verloren haben, oder deren Liebsten verletzt wurden.
Als wir am Nachmittag ins Camp kommen um wie üblich die Sachen zu verteilen, steht der junge Mann aus Afghanistan schon da und wartet auf uns. Sofort als ich ihm ins Gesicht blicke sehe ich Trauer und Verzweiflung, mehr als sonst. Manchmal muss man die Arbeit unterbrechen, muss man die Zeit still stehen lassen und sich dem zuwenden, was gerade ist. Dies war so ein Moment.
In dem Moment, in dem ich M. frage, ob es ihm heute nicht „gut“ gehe (ich muss sagen anhand der Umstände in KaraTepe kommt mir diese Frage immer wieder komisch vor) verliert dieser liebenswerte junge Mann zum ersten Mal seit ich ihn kenne, die Fassung.
Er steht vor mir, mitten in dem Lärm, dem Elend, dem Schmerz dieses Ortes #Moria2 und weint bitterlich. Er erklärt mir unter Tränen, wie furchtbar traurig er alles findet, hier „betteln“ die Menschen um Kleidung , Windeln, um existenzielle Dinge, werden nicht gehört, dass sie vor Terroranschlägen in ihrem Land fliehen mussten, in Österreich tötet ein „Wahnsinniger“ Menschen und fast zeitgleich war in Kabul/Afghanistan ein terroristischer Anschlag auf eine Universität bei dem über 20 junge Menschen getötet wurden. All diese Dinge sagt M., während er die Tränen nicht zurückhalten kann. Seine Frage: „ wie sollen wir all das aushalten?“ bleibt unbeantwortet.
Die Stunden im Camp waren noch viel belastender als sonst. Die vielen Menschen hier, ein Großteil aus Ländern, in denen sie genau vor solchem Terror fliehen mussten. Behandelt von Europa wie „unerwünschte Eindringlinge“. Menschen, die hier in Europa aller Menschenrechte beraubt werden. Ein junger Mann aus Afghanistan neben mir, der uns und sich nichts sehnlicher als Frieden und Zusammenhalt wünscht. Der täglich unsere Arbeit hier ehrenamtlich unterstützt und der mir, ohne über seine grausame Situation anzusprechen, mir per WhatsApp sein aufrichtiges Mitgefühl ausdrückt darüber, dass wir in Wien, in Österreich diesen Schmerz erleben mussten.
Als ich später auf Twitter den Tweed von Oliver Scheiber, Jurist und Publizist lese „In Kabul wurden gestern bei einem Terroranschlag auf die Universität zumindest 22 Student*innen getötet. Terror ist in Afghanistan, im Gegensatz zu Österreich, die Regel, nicht die Ausnahme. Wollen wir weiterhin Menschen, die vor diesem Grauen geflüchtet sind, nach Afghanistan“ , dann fühle ich mich trotz all der Ratlosigkeit, der Trauer sehr getragen und weiß, dass wir in einer Gemeinschaft eingebettet sind, die sowohl die Hoffnung auf friedliche Gesellschaft, Einhaltung der Menschenrechte nicht aufgegeben, als auch den Mut noch nicht verloren hat, die Dinge auch in sehr heiklen, komplexen Situationen anzusprechen. Schön, Menschen wie Oliver Scheiber und M. mit und unter uns zu wissen. #StopDeportationToAfghanistan #AfghanistanIsNotSafe
Es liegt an uns allen die großen Herausforderungen der heutigen Zeit in gegenseitigem, menschlichem Wohlwollen, im Sinne von Friedensarbeit zu betrachten und Lösungen zu gestalten und zu gestatten. Trauen wir uns das zu.
Lesbos, Afghanistan , Österreich, Griechenland, EU, zeigen wir Menschlichkeit, pochen wir auf Menschenrecht und verbinden uns in dem was wir sind, als Menschen.
Danke an alle, die sich tagtäglich darum bemühen. Auch wenn alles hier in KaraTepe auf Lesbos schwer zu ertragen ist, sowohl hier, als auch durch Abschiebungen in Hochrisikogebiete wie Afghanistan großes Unrecht passiert, vergessen wir nie: Es liegt an uns allen.
Wir alle sind gemeinsam die Friedensbringer*innen für morgen, danke!
M. hatte hier in Moria immer noch kein Asylverfahren. Wenn jemand seine Rechtsvertretung unterstützen möchte, damit er hier die Chance auf ein friedliches, neues Leben bekommt, bitte ich um eine Überweisung an
Doro Blancke, AT93 3842 0000 0002 7516 betreff: Rechtsberatung „M“
Wer allgemein unsere Arbeit hier vor Ort #direkteHilfe für die Menschen mittragen möchte, einfach Betreff: Lesbos
Innigen Dank, Doro