Europas Abschreckungspolitik tötet – 18 Tote an der Küste von Lesbos

Von vorletzter Nacht auf den gestrigen Morgen kam es zu einem verheerenden Bootsunglück, direkt an der Küste von Lesbos. 18 Geflüchtete, 16 Frauen, 1 Mann und ein Kind, mussten ihre Suche nach Sicherheit mit dem Leben bezahlen. Weitere werden noch vermisst. Eine Tragödie, die uns alle zutiefst betroffen macht und die wir nicht einfach wegdenken sollten und können. Einige der Überlebenden konnten von beherzten Menschen in den Bergen, oberhalb der Steilküste, an der das Unglück passiert ist gefunden und den Behörden für eine Registrierung im Camp übergeben werden. Auch dafür bin ich sehr dankbar, denn hier auf Lesbos kann man nicht ausschließen, dass die Überlebenden, selbst nach diesen traumatischen Erlebnissen zurück in die Türkei gepusht werden.

Die brutalen Schlepper in der Türkei kümmert es nicht, wie das Wetter ist, ob die Leute sicher ankommen, ihr Leben verlieren, oder aber auf ebenso brutale Weise von der Hellenic Coast Guard, Griechische Küstenwache unter lebensbedrohlichen Umständen wieder zurück gepusht werden. Dass die Griechische Küstenwache mit den Pushbacks permanent massive Menschenrechts- und Völkerrechtsbrüche begeht ist uns genauso klar, wie uns die kriminelle und grausame Vorgehensweise der Schlepper bewusst ist. Wir verurteilen beide Vorgehensweisen aufs Schärfste. Viele der Schlepper haben nur das Geld im Kopf, die Menschen spielen für sie gar keine Rolle. Schlepper, die Geflüchtete bei diesem Sturm losschicken nehmen bewusst Menschenleben in Kauf. Wenn die Hellenic Coast Guard Pushbacks, illegale Deportationen, Kidnapping macht ist das in unseren Augen ein noch wesentlich größer Verbrechen. Diese Leute handeln im Auftrag von Politiker*innen einer Demokratie, einem Mitgliedstaat der europäischen Union und mitfinanziert von uns allen.

Seit Jahren versucht Europa sich abzuschotten. Bewährte Programme wie Resettlement wurden seitens Österreich total abgeschafft, in den anderen Mitgliedstaaten kaum angewendet. Viele der tonangebenden Politiker:innen bedienen einen Populismus, der mehr als schmerzt, sprechen von Routen schließen, illegaler Migration, die Handhabe gegen Geflüchtete wird von Monat zu Monat grausamer, verbrecherischer.

Auf der Balkanroute werden seitens der aktuellen Gesprächspartner von Bundeskanzler Nehammer, Serbien und Ungarn, die Menschen in einer Art und Weise misshandelt, die unerträglich uns strafbar ist. Dass sich österreichische Polizisten an der ungarisch/serbischen Grenze am “Grenzschutz” beteiligen und es bereits zu Vorwürfen kam, dass sie über die Misshandlungen Bescheid wissen müssten, gehört unbedingt schnellstens aufgeklärt.

Hier auf Lesbos und den anderen ägäischen Inseln findet die Misshandlung von Geflüchteten in Form von brutalen Pushbacks statt. Pushbacks sind verboten und gegen bestehendes europäisches und internationales Recht. Was natürlich niemanden der Verantwortlichen beeindruckt, da weder seitens der europäischen Union, noch sonst jemandem schlagkräftige Konsequenten folgen. Die Werkzeuge wie “Vertragsverletzungsverfahren”, usw. werden nicht angewendet. Auch FRONTEX, obwohl in der Frontex Verordnung, Artikel 46, ganz klar steht “bei Verletzung von Grundrechten muss die Operation in den jeweiligen Gebieten abgebrochen werden”, hat bislang noch keine echten Konsequenzen zu tragen gehabt. Auch hier sind, trotz Täuschung und Belügen des Europäischen Parlaments von der größten EU Agentur, keine wesentlichen Maßnahmen gesetzt worden.

Zurück zur Praxis. Auf den Inseln gelandet, verstecken sich die Geflüchteten in den Bergen, in unwegsamen Gebieten, aus Angst von der Polizei gefunden, in Container gesteckt, beraubt und nachts auf dem offenen Meer, an der Grenze zur Türkei wieder ausgesetzt zu werden. Dass es dazu im Zusammenhang mit Frontex bereits schwere Vorwürfe gibt, etliche Pushbacks dokumentiert und belegt sind, hindert den griechischen Migrationsminister Notis Mitarachi nicht, all diese Verbrechen abzustreiten. Er sieht es aber zeitgleich als seine Aufgabe das Land selbst und Europa vor illegaler Migration zu schützen.

Solange Griechenland und die anderen Mitgliedsstaaten diese Haltung so vehement vertreten, werden die Toten der Preis für eine verantwortungslose und unerträgliche europäische Migrationspolitik sein. Es ist unverantwortlich und kriminell diese Verbrechen in Kauf zu nehmen und sie als Bürde der nächsten Generation zu hinterlassen. Es müssen schnellstens Lösungen gefunden werden. Will man ernsthaft und konsequent die brutalen Schlepper, genauso wie die, gegen jedes Recht verstoßenden Pushbacks unterbinden, dann braucht es dringend Lösungen die wir, gemeinsam mit anderen bereits lange fordern:

Sichere Fluchtwege, Resettlementprogramme, Botschaftsasyl und eine ehrliche Hilfe vor Ort.

Außerdem muss uns allen klar sein, bewusst werden, dass in Zeiten von extremen Klimawandel, Kriegen, massiven Hungersnöten, weltweiten Konflikten, das Thema Flucht und Migration einen viel größeren Stellenwert bekommen und es dringend zum Wohle der Menschen und von Europa abgearbeitet werden muss. Dies ist unvermeidbar, egal was populistische, kurzdenkende Politiker*innen von sich geben. Für gute Lösungen hätten wir genug Expert*innen in Europa. Es scheitert einzig und allein am politischen Willen, dies ist unverzeihlich und alle, die die vielen Toten, auch jene von gestern Nacht auf Lesbos mitzuverantworten haben, müssen vor Gericht und zur Verantwortung gezogen werden. Schlepper und Politiker*innen, deren Brutalität unterscheidet sich lediglich durch den Deckmantel der gesellschaftlichen Position.

Ich bin so betroffen, dass ich es emotional nur schwer in Worte fassen kann. Gestern war ein furchtbarer Tag auf Lesbos. Die Trauer und auch die Wut sind natürlich nicht mit dem heutigen Morgen zu Ende. Die Insel stand und steht unter Schock. Doch wir alle wissen, dabei darf es nicht bleiben. Es müssen sofort Lehren und Konsequenzen daraus gezogen werden.

Vermeintlich waren viele Frauen unter den Toten. Immer noch werden Menschen vermisst. Menschen, die nicht mehr wollten, als in Sicherheit und Frieden zu leben und sich hier in Europa ein selbständiges Leben in Würde und Frieden aufzubauen. Wenn ich an die Hinterbliebenen denke, auch an die Kinder der Mütter, die davon geträumt haben, ihre Kinder bei Asyl in die Sicherheit nachzuholen, denen unser aufrichtiges Mitgefühl gilt, ist es mehr als schwierig dies alles auszuhalten.

Es gab gestern in Mytelini noch eine Mahnwache. Organisiert vom Friedenskommitee der Insel und einem aktiven Frauenverein. Es tat sehr gut zu sehen, wieviele Einheimische zu dieser Mahnwache gekommen sind.

Es gab Reden, in denen gesagt wurde, die europäische Politik macht die Ägäis zu einem nassen Grab. Es wurden 3 Kränze als Erinnerung und Ritual für die Verstorbenen dem Meer übergeben, dann folgte ein Schweigemarsch durch die Stadt. Danke allen, die sich hier eingefunden haben, es tat allen gut nach diesem Schock die Gemeinschaft der Gleichgesinnten zu erleben. Wahrzunehmen, dass es auf der Insel viele Menschen gibt, die die Vorgehensweise und die Resultate dieser grausamen Politik nicht mehr annehmen wollen.

Nein zur “Normalität” des Todes! Der Ort an dem wir studieren ist kein nasses Grab. (Studierende der Ozeanographie/Mytelini/Lesbos)

Heute arbeiten wir trotz schwerer Herzen weiter. Denn die Geflüchteten brauchen noch immer dringend unsere Hilfe. Morgen ist Großverteilung der Lebensmittelpakete. Fayad und Ilja sind im Warehouse um alles vorzubereiten, ich hole jetzt einen Geflüchteten aus dem Krankenhaus ab und später geben Ilja und ich Englischunterricht im Gemeinschaftszentrum “Parea”.

Wir danken allen, die unsere Arbeit in Österreich und Griechenland für Geflüchtete unterstützen. Es ist mehr als dringend notwendig nicht aufzugeben und unseren solidarischen Beitrag für Menschen auf der Flucht aktiv zu leisten. Dies kann nur dank zahlreicher Unterstützung passieren,

herzlichen Dank, Doro und Team

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