Außengrenzen – Lesbos

Dass die Situation an den europäischen Außengrenzen in Griechenland und den ägäischen Inseln beinahe völlig aus den Medien verschwunden ist heißt nicht, dass die Situation der Geflüchteten vor Ort sich wesentlich verbessert hat. Im Moment befinden sich ca. 2100 Geflüchtete auf der Insel. Das Camp entspricht immer noch nicht internationalen Standards, oft zw. 6 Uhr morgens und 1 Uhr kein Strom, das Essen des Caterers immer noch miserabel, die Begleitung der Menschen im Camp eine Katastrophe, beinahe sich selbst überlassen.

Alleine die Brutalität, mit der die griechische Regierung bei den Pushbacks vorgeht zeigt, welch rechtswidrige und menschenverachtende Politik gegenüber Menschen auf der Flucht hier Alltag ist. Beinahe täglich landen Boote, beinahe täglich werden die Menschen gekidnappt, ausgeraubt und gegen Unionsrecht auf sogenannten „Rettungsinseln“ auf offenem Meer wieder ausgesetzt und die türkische Coast Guard informiert, um sie abzuholen und zurück in die Türkei zu bringen. Dort landen sie dann oft für einige Tage im Gefängnis, Familien werden getrennt, alleinreisende junge Menschen, sehr oft auch Minderjährige aus Afghanistan relativ oft auch dann von der Türkei aus nach Afghanistan abgeschoben. Wieder ein Argument dafür, die Türkei ist kein sicheres Land für Menschen auf der Flucht. Was das für die Geflüchteten bedeutet und welch neuerliches Trauma Europa den Geflüchteten, die bereits zum Großteil Furchtbares hinter sich haben, zugefügt wird ist unverzeihlich. NGOs und Menschen die sich auf den Weg machen um nach einem Landing den Menschen zu helfen, sie mit dem Nötigsten zu versorgen und im Camp registrieren zu lassen, werden bewusst von örtlicher Polizei und Hafenpolizei am Weiterfahren gehindert, bis der Pushback durchgeführt ist. Es wird dabei keine Rücksicht auf Frauen, Kinder, oder kranke Menschen genommen. Dieser schwere Rechtsbruch gehört dringend geahndet, die Politiker:innen, die dafür die Verantwortung tragen und auch die ausführenden Organe müssen sofort zur Verantwortung gezogen werden – worauf wartet die Europäische Kommission? Es liegen genug Beweise am Tisch.

Lebensmittelverteilung:

Wir versorgen wöchentlich immer noch beinahe 200 besonders vulnerable Personen, die aus unterschiedlichen Gründen außerhalb des Camps leben, mit einem Lebensmittelpaket. Dieses wird pro Person so bemessen, dass es täglich eine warme Mahlzeit bis zur nächsten Verteilung bietet. Trockene Lebensmittel wie Reis, Nudeln, Hülsenfrüchte, Soja, Zucker, Salz, Gewürze, Tee, usw., frisches Obst, Gemüse und Fleisch. Unter den Empfänger:innen sind auch viele Frauen und Kinder, es entspricht also nicht der Wahrheit, dass nur allein reisende Männer an den griechischen Außengrenzen landen. Doch was entspricht beim Thema Asyl und Migration seitens der politisch Verantwortlichen schon der Wahrheit?

Soziales Zentrum „Parea“

Wir sind seit ca. 1 Jahr Teil einer Gemeinschaft von internationalen NGOs, die dieses dringend notwendige Zentrum, welches direkt oberhalb des offiziellen Camps liegt, tragen. Wir sind sehr dankbar, dass dieser Ort erhalten wurde, nach dem „One happy Family“ die Insel verlassen hat, um in Athen aktiv zu werden. Es gibt dort eine Werkstatt, Kinderbegleitung, psychologische Betreuung, Kleiderausgabe, täglich ein Mittagessen und vieles mehr. Wir sind in unseren beiden Räumen mit den Englischklassen aktiv, Cristina, von DCI macht dort tlw. auch die Rechtsberatung und wir stellen unsere Räume auch immer wieder anderen NGOs für Seminare und Refugee Projekte zur Verfügung.

Spracherwerb:

Unsere Kurse in den Räumlichkeiten von *Parea“ sind so voll, dass wir teilweise den Menschen auch absagen müssen. Es ist uns sehr wichtig, dass die Neuankömmlinge sich in der Zeit in der sie hier sind verständigen können. Viele, auch wenn sie eine Schule in ihren Herkunftsländern besucht haben, können kein Englisch. Da ist der Alltag und das Vermitteln von persönlichen Bedürfnissen sehr schwer. Unsere Sprachkurse finden 3 mal die Woche, je eine Stunde für Fortgeschrittene und für Anfänger:innen statt. Wir nützen diese Zeit auch immer um mit den Leuten in ein persönliches Gespräch zu kommen, Freude zu vermitteln, Vertrauen aufzubauen, Trost zu schenken und sie an andere NGOs, entsprechend ihren Bedürfnissen weiterzuvermitteln. Psychologische Begleitung, Arzttermine, Rechtsberatung, usw. spielen dabei oft eine Rolle.

Rechtsberatung:

Das von uns weiter finanzierte Projekt ausgeführt von DCI – https://www.defenceforchildrengreece.org ist eines der 3 größten Rechtsberatungsprojekte auf der Insel. Dringend notwendig, denn dass Menschen auf der Flucht hier zu ihrem Recht kommen ist mehr als schwierig. Sie gehen alleine zu ihrem Interview, unterschreiben dann oft Dinge, die ihnen schlecht, bis gar nicht übersetzt werden. Viele wissen oft gar nicht was ein Asyl Interview bedeutet. Besonders Frauen, die schlimmsten Missbrauch, Genitalverstümmelung, Vergewaltigungen und vieles mehr hinter sich haben sind oft überfordert, vollkommen hilflos. Wie wir alle wissen ist es eine große Hemmschwelle für die Betroffenen, ohne gute Begleitung über all diese grauenhaften Dinge zu sprechen. Die Frauen wissen oft auch gar nicht, wie wichtig dies für ihre Asylverfahren ist. Nantina Tsekeri, die Managerin von DCI und ihr Team leisten hier großartige Arbeit. Unser besonderer Dank gilt hier auch der Initiative „Courage – Mut zur Menschlichkeit“ https://www.courage.jetzt die uns wieder einmal großzügig mit einem Betrag von 6000€ für dieses Projekt unterstützt hat und an alle privaten Unterstützer:innen, die unsere Arbeit auch mit finanzieller Unterstützung wertschätzen. So kann dieses so wichtige Projekt, ohne Unterbrechung weitergehen. Innigen Dank allen, die sich dafür einsetzen. Ein besonderer Dank auch an die Reuter Initiative „Hoffnung für Flüchtlinge“, die immer wieder und sehr konsequent wunderbare Ideen umsetzen, um unsere Arbeit hier auf Lesbos kontinuierlich zu unterstützen.

Brennholz:

Auf Lesbos liegt ja der „Abfall“ beinahe überall herum. So auch viele Paletten und Altholz. Mein Kollege Fayad hatte die wunderbare Idee, dieses zu Brennholz zu verarbeiten. All jene vulnerablen Geflüchteten, die außerhalb des Camps wohnen, leben meist in feuchten, schwer heizbaren Wohnungen. Die Nächte sind immer noch sehr kalt, immer wieder auch sehr kalter Wind vom Meer. Die Strompreise auf Lesbos explodiert, die vielen Elektroheizungen, die sich in den meisten Wohnungen befinden, sind kaum mehr leistbar. Auch wir persönlich heizen nur mehr noch mit Holz, da alles andere beinahe unerschwinglich ist. Viele der Betroffenen haben in der Wohnung neben der Elektroheizung auch einen Holzofen. So werden jetzt Holzpakete vorbereitet, unser Team Fayad, Franz, Abbas, Hojat und Emanuel ist extrem fleißig und so können wir auch Brennholzbündel an die Betroffenen verteilen. Wir schenken Wärme an Frauen, Kinder und Männer, ein schönes Projekt, zeitintensiv, aber wichtig. In einer psychisch schwierigen Situation zu frieren ist furchtbar, wir bemühen uns sehr das Beste dazu beizutragen, dass die Menschen ein menschenwürdiges Dasein haben.

Clean-Up Projekt:

Es geht wieder los. Wir haben letztes Jahr an den Stränden, in Parks, neben Parkplätzen, usw., gemeinsam mit Geflüchteten unzähligen Müll gesammelt und entsorgt. Dieses Projekt dient vielen Zwecken. 2 Gruppen, eine aus der afghanischen und eine aus der afrikanischen Community gehen 2 mal die Woche in die Landschaft. Wir haben Spaß dabei, das Zusammengehörigkeitsgefühl wird gestärkt, die Menschen, sonst den ganzen Tag im Camp, haben eine Beschäftigung und wir können ihnen unsere Gedanken zu Umweltschutz vermitteln. Die Leute freuen sich, dass das Wetter besser geworden ist und wir wieder aktiv sein können. Auch Griech:innen registrieren unser Tun, dadurch entsteht eine wesentlich freundlichere Atmosphäre zwischen den Inselbewohner:innen und den Geflüchteten.

*Computer für alle“ auf Lesbos

Die Initiative https://www.pcsfueralle.at hat uns angeboten uns eine Lieferung PCs für Lesbos zu übergeben. Wir haben für den Transport, den wir übernehmen müssen, auf unseren Seiten in den sozialen Medien auch um Spenden gebeten, danke an alle die unterstützt haben. Es fehlen noch ca. 300€ dafür, dann kann es losgehen. https://donorbox.org/pcs-fuer-alle-auf-lesbos? Mein Kollege Fayad hat in den Räumlichkeiten von „Parea“ bereits den Unterrichtsraum hergerichtet, es werden hier in Kürze Computerschulungen stattfinden. Wir sind sehr dankbar dies umsetzen zu können. Viele Geflüchteten wollen sich weiterbilden, bereits hier erste Schritte für ihre selbstständige Zukunft setzen. Wir freuen uns sehr, dass wir dazu einen Beitrag leisten können. Außerhalb der Unterrichtszeiten können die Geflüchteten die PCs nutzen um Informationen einzuholen und mit ihren Familien Kontakt zu pflegen.

Was wir sonst noch tun:

Wir vermitteln und bezahlen bei Bedarf Arzttermine, Zahnarzt, Ultraschall, usw.. Wir bezahlen im Moment für eine Familie mit einer 6 jährigen Tochter und 2 Teenagern die Miete für eine Wohnung, sowie auch für einen Alleinreisenden in sehr schwieriger Situation. Wir bitten auch immer wieder in Österreich Unternehmen um Hilfe, die wir bei Bedarf auch erhalten. Wie zB. im Moment von GEA, Waldviertler, die uns wieder ca. 900 Paar Schuhe geschickt haben, sie sind heute angekommen – große Freude. In einem unserer nächsten Berichte dann mehr zur Verteilung. Wir kümmern uns persönlich um Menschen auf der Flucht, machen Ausflüge mit ihnen, hören ihnen zu, wenn die Verzweiflung so groß ist, dass es alleine nicht mehr zu bewältigen ist, vermitteln an Psycholog:innen und Therapeut:innen. Unsere Tätigkeit in Österreich, die auch nicht zu unterschätzen ist, beschreiben wir gerne auch in einem der folgenden Blogbeiträge. Der Austausch und die gute Zusammenarbeit mit anderen NGOs ist uns sowohl in Griechenland, als auch in Österreich ein großes Anliegen. Wir besuchen Partnermeetings, tauschen uns aus, unterstützen einander und lassen in diesem Kontext auch viele wichtige Informationen fließen, die nur Menschen wissen können, die direkt vor Ort sind.

Politische Arbeit:

Die herrschenden Zustände dürfen nicht zum Alltag werden. Rechtsbrüche, massive Menschenrechtsverletzungen, Gleichgültigkeit, Einsamkeit, den Menschen wird hier auf der Insel oft ein zusätzliches Trauma zugefügt und sie ihrer Grund- und Menschenrechte beraubt. Das wollen und dürfen wir niemals hinnehmen. Darum sehen wir es als unsere Verpflichtung auch mit den politisch Verantwortlichen und mit den Medien im Austausch zu bleiben, unsere Forderungen, die wir ja mit vielen NGO Kolleg:innen teilen, weiterzutragen. Sowohl auf EU-, als auch auf nationaler Ebene. Wir wissen, dass die Herausforderungen groß sind, dass vieles getan werden muss, doch grausame Abschottungspolitik, sowie auch das Schweigen führt uns immer mehr ins Dilemma und lastet der nächsten Generation eine inakzeptable Bürde auf. Die massiven Rechtsbrüche an den Außengrenzen müssen sofort beendet werden, es muss ein gemeinsames, solidarisches Europa geben. Es muss sofort ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland eingeleitet werden – Kidnapping, Raub, das sind all die schweren Verbrechen, die einhergehen mit den unzähligen Pushbacks, gehören sofort unterbunden und geahndet.

Sichere Fluchtwege sind die einzig effektive Form um die grausamen und verantwortungslosen Schlepper zu bekämpfen. Es darf keinen Kindern und Jugendlichen Jahre der Bildung geraubt werden, die Menschen gehören in menschenwürdige Unterkünfte und sofort gut betreut und begleitet. Schnelle und rechtskonforme Verfahren müssen gewährleistet sind, davon sind wir in Griechenland sehr weit weg. All dies erachten wir als unser Aufgabe von den Politiker:innen einzufordern, im Austausch mit ihnen ihr Bewusstsein dafür zu schärfen. Gemeinsam mit vielen anderen durfte ich einen Beitrag zu einem Buch von Dr. Othmar Karas, 1. Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Dr. Judith Kohlenberger, Migrationsexpertin der Uni Wien, leisten. „So schaffen wir das“ ist der Titel, erhältlich in jedem gut sortierten Buchgeschäft. https://books.google.at/books/about/So_schaffen_wir_das.html? Viele der Mitwirkenden, als auch Dr. Kohlenberger und Dr. Karas setzen sich für eine gemeinsame, solidarische Lösung in Europa ein. Nur so können wir die Herausforderungen lösen und menschenwürdig handeln.

Zum Abschluss noch ein großes Danke an mein Team. An Fayad Mulla/Projektmanagement, der aber viel mehr als das tut, ganz genau versteht was unsere komplexen Anliegen hier vor Ort sind und sie so wunderbar umsetzt. Franz Brenn aus Niederösterreich, der bereits bei Diakonie und Deserteur und Flüchtlingsberatung gearbeitet hat. Er schenkt uns gerade 3 Monate seiner Zeit um den Geflüchteten hier auf Lesbos das Leben erträglicher zu machen und die Projekte umzusetzen. Last but not least Abbas und Hojat, die beiden Brüder aus Afghanistan, die seit 1 Jahr in unserem Team sind, egal bei welchem Wetter ins Warehouse kommen und viele andere, notwendige Dinge erledigen. Mit diesem Team kann ich immer wieder auch mehrere Wochen in Österreich sein, hier Geflüchtete begleiten, Vernetzungsarbeit machen, Projekte hier unterstützen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass mein Team eben nicht nur abarbeitet, sondern im Sinne von uns allen den Mensch in den Vordergrund stellt, seine Bedürfnisse erkennt und sehr ernst nimmt. Innigen Dank, es erleichtert mir das Arbeiten, wenn ich hier zuhause in Österreich bin, enorm.

UNTERSTÜTZUNG

Konsequent arbeiten wir sowohl in Österreich als auch an den europäischen Außengrenzen. Dank Ihrer/Eurer großartigen Unterstützung können wir bereits mehr als 2 Jahre aktive Hilfe vor Ort leisten: Lebensmittelpakete, Hygieneartikel, Monatsmieten, Rechtsberatungsprojekt, Arzttermine, Sprachunterricht uvm.

Genau so wichtig ist es uns mit Politiker:innen im Dialog zu bleiben, Missstände aufzuzeigen und mit Lösungsideen anzuregen.

Ihr wollt unsere Arbeit unterstützen, was dringend notwendig ist und jeder Euro zählt. Herzlichen Dank, Doro und Team.

Flüchtlingshilfe/refugee assistance – Doro Blancke

IBAN: AT93 3842 0000 0002 7516BIC: RZSTAT2G420

Paypal: paypal.me/helfedorohelfen

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