Wenn die Tage auf Lesbos kalt und grau sind, die Zahl der Toten steigt, die auf dem Weg übers Meer, in ein sicheres Leben, genau jenes verloren haben, …
Wenn man am Strand spazieren geht um den Kopf frei zu kriegen und bei jedem schwarzen Müllsack, den das Meer an die Küste schwemmt unweigerlich zusammenzuckt, weil man Angst hat es sei ein lebloser Körper….
Wenn der Wind so heftig ums Haus weht, dass die Fenster und Türen die ganze Nacht ächzen, als wäre man auf einem alten Holzschiff…
Wenn der Regen, gepeitscht durch die Winterstürme, in jede Ritze unseres Hauses eindringt und man morgens zuerst die Wasserlachen in der Küche und im Schlafzimmer aufwischt…
Wenn man weiß, dass Frauen, Kinder, Männer, Alte, Kranke, und andere, die ihre Heimat verlassen mussten, weil es keine andere Wahl gab, im Camp dahinvegetieren, völlig im Stich gelassen von zivilisierten, intellektuellen Eiropa, bei 2 Grad, der Sturm heult wie ein Rudel hungriger Wölfe, viel zu wenig Decken, die Kleidung feucht am Körper klebend, weil Feuchtigkeit auf die Insel zu bringen, des Winters Spiel ist….
Wenn all dies so passiert, …
Was meint ihr, was uns da aufrecht hält, was uns gestattet, all dies zu ertragen, nicht in eine Melancholie zu verfallen, dass sich‘s nur so „gwaschen“ hat?
Es ist einzig und allein die Liebe….
Liebe ist so ein großes Wort, wahrscheinlich dort, wo man sich verliebt in seinem neuen Luxusschlitten räkelt, liebevoll die neue, super coole Handtasche streichelt, sich am Morgen durch seinen Kleiderschrank tastet und dann doch beschließt am Nachmittag shoppen zu gehen, bevor man sich zum Weihnachtsmarkt begibt, sich dort mit lieben Leuten trifft, um wieder und wieder gesehen zu werden und die 7 Euro für einen Becher Chemiepunsch zu lächerlich findet, um darüber ein Wort zu verlieren.
Dort mag das Wort eventuell so groß sein, dass es unerreichbar wird. In jeder Hinsicht.
Hier, auf der Insel hat Liebe so viel Bedeutung und man kann sie täglich einatmen und schenken.
Sie reduziert sich, weg von Luxus, Technik, Gier, Lichterketten und Shopping Meilen, reduziert sich hin zum Existenziellen und wird dadurch so groß.
Es ist der erste Sonnenstrahl, der Dir entgegen strahlt, wenn der Sturm die Wolken auseinander drängt. Es ist der Apotheker, der dich herzlichst begrüßt am Weg zur Arbeit, es ist die Katze, die vorm Fenster miaut in dem Bewusstsein, dass du ihr sofort die Tür öffnest.
Genauso wie Deine Mitbewohnerin, die dich im Wohnzimmer, welches die Temperatur eines Kühlschranks hat anlächelt und sagt: „Gemmas an“.
Oder das Team, welches vorm Café, unserem Treffpunkt steht und jeder einzelne ein Lächeln im Gesicht trägt.
Es können Geflüchtete vorm sozialen Zentrum sein, die dich mit einem Lächeln begrüßen.
Oder die Nachricht eines alleinstehenden Mannes „Danke Doro, Deinem Team und Dir, die uns so verlässlich unterstützen und so wertschätzend behandeln“….
Oder die Hilfe aus Österreich, die es uns ermöglicht sofort Decken für die Menschen im Camp zu organisieren, die es uns ermöglicht Wärme zu schenken und dadurch den Menschen zu verstehen geben, wir sehen euch. Ihr geht uns etwas an.
Ich könnte hier 1000ende solcher Momente aufzählen, die unsere Herzen in dieser Kälte erreichen, die Kälte durchdringen.
1000ende dieser liebenden Momente, wo wir Mensch sind, schlicht und doch so komplex.
Es ist die Liebe, die uns trägt in all diesem Wahnsinn.
Und es ist der Wahnsinn, den nur die Liebenden sich eingestehen, ihn als solchen zu erkennen.
Denn für die anderen ist alles was an den Europäischen Außengrenzen passiert, all diese Demütigungen, diese unfassbaren Grausamkeiten, diese massiven Rechtsbrüche, all dies sind nur die „hässlichen Bilder, ohne die es nicht gehen wird“.
Wie dankbar bin ich der Liebe und all jenen, für die sie kein großes, unerreichbares Wort ist.
Doro