Dialog mit A. Jan

Neuigkeiten von A Jan in Afghanistan,

Ihr alle habt den Fall intensiv verfolgt und kennt die Geschichte.

A Jan, junger Flüchtling aus Afghanistan, dessen Bruder konvertiert ist und einen positiven Asylbescheid in Österreich erhalten hat, wurde trotz großartiger Integration (HTL, B2 Deutsch, soziale Arbeit, Anbindung an österreichische Familien, usw.) am 24.4 vom BMI nach Afghanistan deportiert.

Sein großes Pech war eine miese Rechtsberatung.

Afghanistan, ein Land in dem Terror, Korruption, Krieg und Kampf an der Tagesordnung stehen.

A. muss sich seit seiner Ankunft dort verstecken, sprich sich selbst in Einzelhaft gefangen nehmen um nicht erkannt zu werden. Er kann nur ganz selten verhüllt auf die Straße um Lebensmittel zu besorgen. Ihm droht der Tod durch Steinigung, sollte er erkannt werden.

Der Junge ist etwas über 20 Jahre alt.

Das Innenministerium ließ mir persönlich im Gerichtssaal ausrichten, Asyl sei kein Beliebtheitswettbewerb.

So wie der Innenminister und seine Schergen vieles nicht verstanden haben, verstand ich in diesem Moment die Welt nicht mehr.

Auch dass die Polizeibeamten unter Schock standen, dass sie A. trotz Entlassung aus der Schubhaft, ausgesprochen durch den zuständigen Richter des BvwG, Wien ihn wieder verhaften mussten war für mich kein Trost.

Seit diesem Tag stehe ich fast täglich in Kontakt mit dem Jungen, der einen großen Platz in meinem Herzen hat.

Ich werde solange ich lebe für ihn kämpfen.

Das Leben hat sich verändert

 

Ich bin schockiert. Schockiert darüber, dass ich in einem der reichsten Länder der Welt lebe, das auf der anderen Seite etwas total verlernt hat, die Menschlichkeit.

Ich muss zusehen, wie unsere Regierung ferngesteuert von Machtvisionen Menschen wie Vieh verschickt, keinerlei Regung zeigt, wenn wir die Gemüter und Herzen von jungen Menschen brechen, um sie dann in ihr (Kriegs-)land zurück zu schicken, wo sie oft dem folgen, was bei uns als Saat eingeimpft wurde. Hass, Hetze, Radikalisierung, Gefühllosigkeit und Kälte.

Als ich meine Arbeit begann war ich nicht im Entferntesten in der Lage mir vorzustellen in welche Abgründe der Menschen ich tauchen würde.

Welch Bösartigkeit die kapitalistische Welt rund um mich bereit hält und wie wenig wir Sorge tragen um junges Leben.

Ich werde mich und das ist ein Versprechen, niemals dieser Brutalität der Regierung und der Mächtigen beugen. Ich arbeite täglich daran in der Liebe zu bleiben und trotzdem werde ich dieser Unmenschlichkeit trotzen, mit all meiner Kraft.

“Wir sind viele”

Ich habe viele MitstreiterInnen gefunden, aus allen möglichen Schichten und Ecken des Landes. Ich bin jedem einzelnen von ganzem Herzen verbunden, denn ohne sie könnte ich den Kampf für die Menschenrechte in unserem Land nicht gehen. Sie vertrauen mir und ich ihnen. Sie sind Heimat für mich und Kraftquelle. Und ich weiß es wird der Taq kommen, da werden wir uns weinend und lachend in den Armen liegen und unseren Sieg feiern.

Wir werden unseren Kindern aufrecht ins Gesicht schauen können und sagen: „ja, es stimmt, die Herausforderung 2015 war riesengroß, doch wir haben sie gemeistert. Wir waren bereit einen Millimeter zurück zu stecken, um Menschen die in größter Not zu uns gekommen sind zu zeigen, was möglich ist, wenn viele bereit sind gegen die Angst und für den Frieden zu arbeiten.“

Und die Frage meiner Enkelkinder wird mich nicht so betroffen machen, wie es mein Umfeld getan hat, als ich ihnen immer wieder die Frage stellte: „Wie konnte das passieren, wie konnte der Nationalsozialismus so groß werden?“

Viele Tränen vergieße ich, wenn ich Deine Briefe lese A. Jan. Nicht weil ich glaube der Kampf ist verloren, nein, keine Sorge. Du weißt genau so gut wie ich, wo wir stehen.

Ich vergieße Tränen, weil mein Land in der Lage ist Dir und anderen Menschen solche Schmerzen zu zufügen. Sie rechtfertigen es mit „weiser politischer Voraussicht“ , „wir müssen die Flüchtlingsströme unterbinden“ und „wir können nicht alle nehmen“.

Sie rechtfertigen die Zerstörung der Seelen von jungen Menschen damit, unsere Sicherheit, unseren Frieden erhalten zu wollen.

Das ist es was mich so traurig macht. Es ist wie ein Schloss auf Sand zu bauen. Was sollen unsere, die vielen Kinder in unserem Land von uns lernen, wenn wir 1000 Lehrlinge als wunderbare Errungenschaft verkaufen und gleichzeitig all die anderen in ein Land wie Afghanistan zurück schicken wollen. Wenn wir Schulkindern Hass und Hetze lernen und wir schweigen zu menschlichen Ungeheuerlichkeiten?

Meine Worte an Dich, Jan

Weißt du Jan ich trauere mit Dir, denn ich weiß, wie sehr Du Dich bemüht hast unsere Sprache zu lernen, du die HTL gemeistert hast, Du Dich in aufrichtigem Vertrauen mit uns und all dem Neuen verbunden hast. Mit welcher Offenheit und Neugier Du Dich auf uns eingelassen hast. Und jetzt sitzt du abgeschottet seit 4 Monaten in einem Zimmer versteckt in Afghanistan, hast Angst auf die Straße zu gehen, berichtest mir panisch von jedem Anschlag, der hörbar in deiner Gegend passiert und spürst, dass Du nach 3 Jahren in Europa nie mehr wieder fähig sein wirst, diese Brutalität, das viele Blut, den Terror aushalten zu können.

Ich hätte mir von meinem Land und von den Menschen die hier leben mehr Mut, mehr Güte und mehr Mitgefühl erwartet. Die Erkenntnis, dass LehrerInnen, AkademikerInnen, HandwerkerInnen, gebildete, gut bezahlte Leute sich abwenden und nicht ein Wort über diese Grausamkeiten verlieren widert mich zu tiefst an.

Diese Situation hat auch mein Leben verändert.

Ich habe meine Familie, meine Kinder und meine engsten Freunde in meinem Herzen und um mich. Ich kann mich in jeder Situation auf sie verlassen und fühle mich von ihnen innigst geliebt. Doch ich bin rebellischer, unbequemer, kritischer und auch einsamer geworden. Ich habe hohe Ansprüche an Menschen, denn nur die wahren KämpferInnen bleiben mir in Erinnerung. Und ich stelle mir oft die Frage, was macht das Leben denn wirklich sinnvoll? So bin ich auch ruhiger, nachdenklicher geworden.

Doch eines wird in mir bleiben solange ich lebe. Ich werde für Gerechtigkeit kämpfen. Ich kämpfe dafür, dass die Menschen begreifen, dass wir unsere Herzen für unsere Nächsten öffnen sollen, um selber das Glück erfahren zu können. Dass wir privilegiert sind und unsere Geschenke, die wir erhalten haben mit anderen teilen sollten um die Wärme zu spüren, die uns Menschen im Innersten eigen ist.

Und ich werde für Dich kämpfe solange, bis Du hier in Österreich, oder in einem anderen friedlichen Land wieder Boden unter den Füßen bekommst, Dich erholen kannst von der unvorstellbaren körperlichen und psychischen Belastung, die mein Land Dir zugemutet hat. Und sei Dir sicher Jan, ich glaube daran, dass uns dies gelingen wird. Der Friede wird auch dein Herz wieder berühren und Du wirst die Schönheit Deines Wesens wieder voll entfalten können. Ich glaube daran und kämpfe dafür, jeden Tag.

In Liebe verbunden,

Deine Doro

Brief an mich von A Jan aus Afghanistan 24.8.2018

 

Tage werden vergehen Die Tage wissen nicht, dass sie gezählt werden Es wird kälter und kälter Langsam sagt Summer Herzlich willkommen zu Winter Himmel hat einen Kloss im Hals Er will auch nicht hier Menschen Freude machen Die sonnige Tage sind vorbei Die langweilige Tage sind noch dabei Tage ohne Gefühl nach schwierigen Reise nach schlimmen Erinnerung . Heiße Tage ohne Liebe Sommer wurde mit Polizei Handschellen angefangen Gericht ,Schubhaft , und Abschiebung , Explosionen und Angst um Leben sind Erinnerung Kein Foto von Meer nie geschwommen Immer zuhause allein und schöne Zeit ist für mich verschwunden Sommer war Leben nicht wie ein Leben Ganz Tage überleben um für nix zu leben Ich merke dich letzte Sommer Praktikum dulmetscher ,B2 und Schulzeugnis Freunde und Freude sind beide weg von mir Ich sehe keine mehr Hoffnung weil diese Sommer mir nix geschenkt hat sogar eine Stunde Spaß Jetzt ist Schulzeit meine Kollege machen bald Schulabschluss und ich in Afghanistan wünsche ihnen viel Erfolg Ich wollte jetzt unter einem Baum sitzen und für Matura lernen Ich wollte jetzt an meine Zukunft denken anstatt zu weinen Ich bin der Mann der alles schaffen konnte schwere Kinderzeit ,Armut ,verschiedene Schule ,weg nach Europa alles hat er belastet um Karriere zu machen aber niemals hat Leben ihm keine Chance gegeben einfach in seinem Träume bleiben Mein leben hat es nicht verdient so ein Leben zu sein Ich gehe noch tiefer in der Hölle und habe sehr Angst vor Wunder Wenn keine Wunder passiert dann verliere auch meine kleine Möglichkeit Ich hasse wenn ich es sage es geht mir gut Wie es mir gut gehen kann wenn ich so viel Verlusten im leben habe Wie es jemandem gut geht wenn er keine Hoffnung auf leben hat Meine Geschichte und Schicksal sagt mir dass ich an keine Regierung an kein Rechtsstaat glauben Ich entschuldige mich wenn es so ist

Kommentare 3

  1. Mein Herz schmerzt, wenn ich die Zeilen von Jan lese und dass ich ihm nicht helfen kann! Meine ganze Hoffnung setze ich auf Doro, dass sie für Jan eine Rückholung erreicht!

  2. Liebe Doro, lieber A Jan,

    grad wollte ich einen weiteren Blogbeitrag über unser Begegnungszentrum in Klagenfurt schreiben, an dem wir arbeiten. Ein Begegnungszentrum, das die Menschen eines Stadtteils zusammen bringen soll, das Stadtteilentwicklung ermöglichen wird. Wo ich nicht ständig darauf hinweisen muss, dass wir mit Asylwerbern, Migranten, Flüchtlingen und Österreichern zusammen arbeiten, weil wir alle Menschen im Stadtteil meinen, von 0 – 99, unabhängig von Ethnie, Religion, Hautfarbe oder Geschlecht. Weil mir dieses unterscheiden müssen schon so lange auf den Wecker geht, ich die Väter, Mütter, die Töchter und die Söhne meine – Menschen.

    Dann erscheint euer Briefwechsel am Smartphone in meiner Timeline. Und ich könnte heulen. Heulen vor Hilflosigkeit. Vor Schuldgefühl, immer noch zu wenig zu tun. Euch in Graz vor Ort nicht helfen zu können, weil wir hier vor uns hinarbeiten. Das Leben stellt grad die Weichen, dass ich demnächst wieder tiefer in diese unglücklichen Verkettungen von Abschiebung, guter Versorgung hier vor Ort und Dranbleiben involviert bin – so wie 2015, 2016 und 2017. Ich hoffe, ich kann in der Liebe bleiben wie du, Doro. Ich bin mir da nicht so sicher.

    Es bleibt so wenig – aber ich schicke euch beiden eine Herzensumarmung, möge sie euch Kraft spenden, eure Liebe stärken und die Hoffnung nähren. Ich liebe euch, alle beide.

    Lisa

  3. Lieber A.Jan ! Schön längst wollte ich dir wieder schreiben , aber ich engagiere mich auch sehr für unsere afgh. Brüder und Schwestern . Ich lebe alleine mit meinem Kind , aber in meiner Zeit , die ich zur Verfügung habe , helfe ich wo und wie ich nur kann . Vielleicht können auch wir einander schreiben ? Ich kenne Doro und ich hab sie in mein ❤geschlossen . Du hast wirklich einen wunderbaren Menschen an deiner Seite . Deine Zeilen machen mich so betroffen , weil dir so eine unfassbare Ungerechtigkeit widerfahren ist . Ich bete für dich , dass du bald zurückkommen kannst . ❤Anita

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