Afghanistan-Abschiebungen-Schubhaft

Immer wieder zu wiederholen, dass Abschiebungen nach Afghanistan in keinster Weise mit Menschenrecht und europäischen Werten vereinbar sind mag eigenartig erscheinen, die Haltung der österreichischen Bundesregierung zwingt uns leider dazu.

Afghanistan ist ein von Krieg und Terror betroffenes Hochrisikogebiet und ich persönlich kenne keinen einzigen Abgeschobenen, der aus eigenen Mitteln in diesem Land Fuß fassen kann. Auch Menschen, die von uns unterstützt werden, gehen fast alle nach einigen Monaten erneut auf die Flucht. Erpressungen, Ächtung der Familien, radikale Bedrohungen, keine Arbeit, ein Leben auf der Straße und Anwerbung von radikalen Gruppen/Taliban, usw. zwingen sie dazu. Die afghanische Regierung verbreitet im eigenen Land, dass Menschen, die aus Europa zurück geschickt werden kriminell sind, sprich Straftaten in Europa verübt haben. Diese Behauptung ist genauso unwahr, wie jene unserer Regierung.

Wir alle kennen junge Afghanen, die hier ein Optimum an Leistung erbracht haben. Schüler, Lehrlinge, Studenten, Deutschkurse besucht, usw. Einige meiner Schützlinge (so wie etliche andere auch) haben sich der Abschiebung entzogen, in dem sie nach ihrem rechtskräftig negativen Asylbescheid in ein anderes europäisches Land weiter geflohen sind. Es gibt bereits etliche, die dann dort Asyl erhielten, sprich den Schutz erhielten, der ihnen gebührt und jetzt bereits studieren, arbeiten, teils noch die Landessprache erlernen und endlich ein Leben in Sicherheit führen dürfen, welches Österreich ihnen verwehrt hat. Wir, die wir diese jungen Menschen persönlich begleiten und betreuen wissen, was diese Situation für die Betroffenen bedeutet. Neuerliche Traumatisierung, nach 4 Jahren hier neuerlicher Verlust von neuen Freund*innen, Patenfamilien, Schulfreund*innen, neuerlicher Start in einem vollkommen unbekannten Umfeld, neue Sprache erlernen, usw. kein „zur Ruhe kommen“. Es ist wichtig, dass wir uns auch damit beschäftigen, was wir jungen Menschen, die aus Angst vor Terror, Krieg alles verlassen mussten was sie lieben, antun. Es ist eine Unmenschlichkeit und eine Entwürdigung, die einem einzigem Ziel dient: Jene Wähler*innen zu befriedigen, die an dem langjährigen populistischem Handeln von ÖVP und FPÖ Gefallen gefunden haben. Die Tatsache, dass jetzt auch die Grünen in der Regierung sind ändert an der politischen Haltung zu Menschenrechten nichts. Der Innenminister plant weitere Abschiebungen nach Afghanistan, Bitten um einen Diskurs werden verweigert, die Aufforderung uns an „hässliche Bilder“ zu gewöhnen war anfänglich schockierend, scheint aber bei vielen der Bürger*innen bereits angekommen und, so weh es tut auch bereits verinnerlicht.

Jene jungen Afghanen, die es nicht schaffen rechtzeitig und unerkannt unser Land zu verlassen, werden von der Polizei aufgegriffen und kommen in Schubhaft. Auch hier meines Erachtens nach katastrophale Zustände.

VMÖ, Verein für Menschenrechte (absurder Name) ist in einigen der Schubhaftgefängnissen für die Rechtsberatung der jungen Menschen zuständig. Ich bin sehr irritiert, wenn mich junge Schubhäftlinge total verzweifelt aus der Schubhaft kontaktieren, mich eindringlichst bitten ihnen zu helfen und mir erzählen, dass ihre Rechtsberatung ihnen mitteilt, sie sollen doch eine freiwillige Rückkehr unterschreiben. Warum keine Schubhaftprüfung, warum keine Unterstützung wenn doch auch jene Rechtsvertreter*innen wissen, welch grausames Leben den Abgeschobenen bevorsteht?

Auf meine Anfrage beim VMÖ wird mir von verschiedenen Mitarbeiter*innen (Gesprächsnotiz vorhanden) mitgeteilt, der Junge will keine Unterstützung und möchte zurück nach Afghanistan. Zeitgleich ruft mich der Junge an und bittet mich eindringlich ihm eine Rechtsberatung zukommen zu lassen! Wie ist das vereinbar?

Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass die geplante BBU-Bundesbetreuungsagentur dann nur mehr in diesem Stil abläuft, Schutzsuchende isoliert werden, Rechtsberatung dem Staat und nicht den Menschen auf der Flucht dient und genau jene, die mir jetzt am Telefon erzählen, die Menschen wollen „nach Hause“, dann schalten und walten können wie sie wollen, oder angeordnet bekommen (ich weiß nicht, wie ich das einordnen soll), dann frage ich mich, wo stehen wir in unserem Land? Wieviel ist Politik bereit zu opfern, um an der Macht zu bleiben? Wie gehen jene Rechtsberater*innen damit um, die ganz genau wissen, welche untragbare Zustände in Afghanistan herrschen, da sie zum Teil selbst ursprünglich aus diesem Land kommen? Ich frage mich was UNHCR und Amnesty dazu sagen und was alle jene Politiker*innen empfinden, die aus eigenen Interessen Menschen in ein Kriegsland deportieren.

Ich erwarte eine Stellungnahme vom VMÖ, die ich auch schriftlich einfordern werde, wie sie als NGO (fällt mir wirklich schwer sie als solche zu benennen) und als selbstständig denkende Menschen die reale Lage in Afghanistan einschätzen und warum sie nicht alles tun, um dem gerecht zu werden was sie sind: die Rechtsvertreter*innen von Menschen auf der Flucht, deren Rechte zu verteidigen und zu wahren!

Für alle, die hier mitlesen und mit dem Thema Afghanistan, Abschiebungen, Asyl, usw. nicht so vertraut sind. Es gibt kein Gesetz, dass man nach einem rechtskräftigen Negativbescheid in ein Kriegsland abschieben muss. Es gäbe legale Möglichkeiten, die Schutzsuchenden vor diesem grausamen Schicksal, Abschiebung in ein Hochrisikogebiet zu bewahren. Es obliegt der Bundesregierung, dem Innenminister zu sagen „Abschiebungen nach Afghanistan werden aus menschenrechtlicher Sicht nicht durchgeführt“.

Doch wie weit jene davon entfernt sind sieht man sowohl an der politischen Entwicklung in Bezug auf Migration und Asyl in unserem Land, als auch an einem sehr makabren Beispiel: 800 Lehrlinge, die alle aus einem Kriegsland kommen, in den letzten Jahren super Integrationsleistungen erbracht haben, als dringend notwendige Fachkräfte ausgebildet wurden, sollen nach der Lehrabschlussprüfung in das Hochrisikogebiet Afghanistan abgeschoben (!) werden um dort, wie diese unleidige Politik meint, ihre hier erlernten Fähigkeiten einzubringen. In einem Land in dem sich die Zahl der zivilen Todesopfer ständig erhöht, kaum eine Woche ohne Anschläge vergeht, niemand bis heute in der Lage war dem Land zu helfen und es in den Frieden zu führen und das geopolitisch als Kriegsspielplatz genutzt wird. Ich betreue auch solche Jungs und ich bin zutiefst betroffen, welch psychischen Qualen man sie aussetzt.

Die österreichische Bundesregierung und alle die in diese Entscheidungen und in das große Schweigen zu diesem massivem Menschenrechtsbruch involviert sind sollten sich zutiefst schämen. Diese Vorgehensweise auf Kosten von Menschenleben ist untragbar! Dass jetzt noch Corona in Afghanistan explodiert, es keine Gesundheitsversorgung gibt, eine dramatische Hungersnot zu all dem Elend bevorsteht, auch das wissen die Verantwortlichen. Es ist für uns alle zutiefst beschämend!

Darum werden wir unseren „Kampf“ gegen die Abschiebungen nach Afghanistan fortsetzen, solange bis Abschiebungen in ein Kriegsland, nach Afghanistan eingestellt werden. Denn niemand von uns, auch die Unwissenden nicht, können diese Verantwortung übernehmen und der nächsten Generation zumuten!

#Menschenrechte #AfghanistanIsNotSafe #Asyl #Afghanistan #SicherSein

Kommentare 6

  1. STOPDEPORTATIONTOAFGHANISTAN.wenn schon nicht aus Menschenrechtsgründen, dann aus rein
    wirtschaftlichen Überlegungen. DRINGEND notwendige Fachkräfte werden abgeschoben!

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      Eine große Herausforderung! Es muss eine politische Lösung für die Lehrlinge folgen! Sie nach der Lehre abzuschieben, in ein Kriegsland ist an Zynismus und Brutalität kaum zu überbieten!

  2. Liebe Doro Blancke,

    Ich möchte mich herzlich bei Ihnen bedanken. Danke, dass Sie sich für uns einsetzen. Wir wissen das sehr zu schätzen. Mögen Sie alles Liebe der Welt bekommen. Danke❣

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      Liebe Anisah!
      Herzlichen Dank für diese Zeilen, für Ihre Wertschätzung. Das berührt mich sehr! ❣️
      Ich hoffe, dass sich viele Menschen anschließen, denn Abschiebungen nach Afghanistan sind untragbar und verursachen nur Schmerz. Herzlichen Gruß und alles Liebe, Doro

  3. Ich kann diese fortwährenden Verletzungen der Menschenrechte nicht hinnehmen. Und wünsche mir, daß auch Geflüchtete aus Afghanistan ein Leben bei und mit uns führen dürfen. Schicken Sie sie nicht ins Verderben!

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